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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Habich, Georg: Friedrich August von Kaulbach, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0018

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-8-5£> F. A. VON KAULBACH

bildet die breite, wohlgefügte Holztreppe, die
mit einer Schwenkung zum Atelier hinauf-
leitet. Dieses selbst, ein hohes und weites
Gemach, ist durchgehends im Charakter der
reifen, italienischen Renaissance gehalten.
Eine äusserst glückliche Raumdisposition, tiefe
Nischen mit erhöhtem Estrich, überall schick-
lich und bequem zur Benützung ladende Möbel-
gruppen lassen die bedeutenden Dimensionen
des Raumes vergessen. Mit Rubens' Werk-
stätten hat dieses Atelier die verhältnismässig
kleine, ziemlich hoch angebrachte Lichtquelle
gemeinsam. Ein malerisches Dämmerlicht er-
füllt den Raum, dessen Wände im Fond mit
matten Gobelins verkleidet sind, während
nahe dem Fenster mächtige Draperien von
schweren Stoffen in leuchtenden Farben das
Auge erfreuen, in denen man leicht die Vor-
bilder zu den effektvollen Hintergründen
kaulbach scher Repräsentations - Bildnisse
wieder erkennt. Als Schmuck sind vor-
wiegend Plastiken, interessante, vom Alter
goldig getönte Büsten und Statuetten ver-
wandt, darunter zwei köstliche, antik-grie-
chische Originalskulpturen (s. Abb. a. S. 2).

Eine Reihe teils vollendeter teils noch
im Entstehen begriffener Werke giebt einen
interessanten Einblick in die Arbeitsweise
des Künstlers und einen umfassenden Ueber-
blick fast über das ganze Gebiet seines
Schaffens. Das offizielle Repräsentations-
porträt fürstlicher Personen, ideale Figuren-
kompositionen, das heitere Genre, männliche
und weibliche Bildnisse und Studienköpfe
zu solchen, landschaftliche Darstellungen,
Entwürfe zu dekorativen Zwecken — alles
ist vertreten und ergiebt den Gesamteindruck
einer reichen, zwanglosen Produktivität.

Durch seine bedeutende Dimension und
den effektvollen Farbenreichtum fällt ein
neues Bildnis der Kaiserin auf (Abb. a. S. 5),
das die hohe Frau in goldgelbem Staats-
kleid mit Ordensband und Diadem, zusammen
mit der kleinen kaiserlichen Prinzessin dar-
stellt. Das Werk ist bezeichnend für die
menschlich liebenswürdige Art, mit der unser
Künstler solchen, in offiziellem Auftrag ge-
malten Prunkbildern noch eine intimere
Wirkung zu verleihen im stände ist. Ein ge-
wöhnlicher Hofmaler würde die stattliche Er-
scheinung unserer Kaiserin in traditioneller
Stellung äusserlich wiedergegeben haben, ohne
der Herzensgüte, die den Grundzug ihres
Wesens bildete, zu gedenken. Kaulbach hat
mit feinem Sinne das frische Kind der Mutter
zugesellt, und der freundliche, gewinnende
Zug, der bei der Modellsitzung die hohe Dar-
gestellte verschönte, erhält dadurch im Bilde

eine sympathische Motivierung; das Ganze
rückt dem Beschauer menschlich näher. Aehn-
liche Vorzüge zeichnen auch die ungemein
ansprechenden Prinzregentenbildnisse aus,
unter den namentlich ein fein und lebendig
aufgefasster Studienkopf en face als das ähn-
lichste in der langen Reihe der vorhandenen
Darstellungen des Regenten bezeichnet werden
darf. Freilich geniesst kaum ein anderer
Künstler in so reichem Masse den Vorzug
persönlicher Berührung wie Kaulbach, der,
zur nächsten Umgebung des hohen Herrn
gehörig, häufig, so namentlich in dem zwang-
losen Verkehr auf Jagdausflügen in den Bergen
oder im tiefen Spessart Gelegenheit hat, in
dem Fürsten den Menschen zu erkennen und
zu verehren.

An eine frühere Periode seines Schaffens
erinnert das angenehm pastos gemalte Bildnis
von Kaulbachs Vater (Abb. a. S. 9), dessen
imposanter Künstlerkopf ihm freilich einen

GROSSFÜRSTIN SERGIUS VON RUSSLAND
 
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