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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Kunstlitteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0028

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hoch angesetzten Preise hatten einen Anreiz auf
die Genannten zu üben vermocht. Man mag über
die Berechtigung oder Nichtberechtigung von Em-
pfindlichkeiten allgemeinen künstlerischen Wett-
bewerben gegenüber denken wie man will, man
wird doch nicht übersehen können, dass in dem
besonderen Hamburgischen Falle die Dinge auch
ganz besonders lagen, und dass es immerhin zu
begreifen ist, dass Künstler von Rang und ge-
steigertem Selbstgefühl Bedenken tragen konnten,
hier wettwerbend mit in der Bahn zu erscheinen.
Der grossen öffentlichen Konkurrenz für den Ham-
burger Rathaussaal war nämlich eine Separatein-
ladung an die beiden unglücklichen, in der Folge
in einem und demselben Jahre aus dem Leben ge-
schiedenen Meister Gehrts und Geselschap vor-
ausgegangen, die somit von vornherein von den
massgebenden Hamburger Herren Preisrichtern als
am geeignetsten für die Ausmalung des neuen Rat-
haussaales angesehen worden waren und die erst
sterben mussten, um dem Appell an den Gesamt-
körper der deutschen Künstlerschaft Raum zu geben.
Das war unter allen Umständen ein taktischer
Missgriff. Dazu gesellte sich noch ein anderes:
die Unvertrautheit der wettwerbend aufgetretenen
Künstler mit den besonderen lokalen Verhältnissen
des Hamburgischen Bodens, für den sie schaffen
sollten. Aus Büchern heraus ist die Bekanntheit mit
diesen Verhältnissen nicht zu gewinnen. Wie in
seiner Natur, seiner Landschaft, der Anlage seiner
Strassen, seinen Licht- und Luftverhältnissen, so ist
Hamburg auch in seinen Menschen von einer

nirgend wieder zur Wiederholung kommenden Eigen-
art. Der Grundzug im Charakter des Hamburgers
ist ausdauernde Zähigkeit, ein nirgend so wie hier
ausgebildeter Zug zum Konservativen. Dieses
ruhige und feste Beharren auf dem einmal als Recht
Erkannten ist der grosse historische Zug, der durch
die ganze Geschichte Hamburgs geht. Das hat zwar
Handlungen und Wandlungen von tief einschneiden-
der innerer Bedeutung geschaffen, die zu grossen
heroischen Darstellungen aber doch nicht gerade die
dankbarsten Vorwürfe liefern. Die grosse Pose ist
in der Geschichte Hamburgs unvertreten. Das
haben die meisten der wettwerbend hier erschienenen
Künstler übersehen und so kam es, dass die Mehr-
heit der für den Hamburger Rathaussaal einge-
gangenen Entwürfe unhamburgisch waren. Am
vollendetsten war der allgemeine künstlerische Schiff-
bruch dort, wo die Entwürfe allegorisch wurden,
die Welthandelsbeziehungen Hamburgs erläutert
sein sollten. Die weiteren, geforderten Darstellungen,
so: die Gründung der Hammaburg, die Schilderungen
aus dem Zeitalter der Reformation und den Be-
freiungskriegen 1813—14, waren zwar künstlerisch
lesbarer, von der Mehrzahl der wettwerbenden
Künstler aber doch von mehr allgemeinen Gesichts-
punkten, denn unter besonderer Betonung der Stellung
Hamburgs zu jenen Vorgängen behandelt. Unter
diesen Verhältnissen thaten die Preisrichter das
einzig richtige: mit Hinweglassung des ersten Preises,
der unvergeben blieb, wiesen sie die übrigen Preise
an jene Bewerber, die in ihren Absichten wenigstens
am verständlichsten waren. Auch die Koloristen

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