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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Kunstlitteratur
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^Sö>- KUNSTLITTERATUR <^p~

f. A. von KAULBACH MIKADOFÄCHER

persönlichkeiten und in der Anordnung. Diese
weicht weit vom Althergebrachten ab. Aber nicht
immer in vorteilhafter Weise. Wenigstens will es
mich bedünken, dass Genelli und Schwind nicht
in die >historische Schule« gehören, sondern jener
zu den Klassizisten, dieser zu den Romantikern.
Schwind steht doch ohne Zweifel dem Führich
näher als Makart, neben den ihn Gurlitt plaziert
hat. Schwind selber würde die Nachbarschaft des
genialen Antipoden jedenfalls verzweifelt wenig be-
hagt haben. Endlich ist .-Die Kunst aus Eigenem
nicht ein Vorrecht der Feuerbach, Böcklin,
Stuck, Klinger und der anderen neueren Phan-
tasiekünstler allein, sondern die Rethel, Schwind,
Ludwig Richter, Spitzweg, Defregger u. a.
haben ihr Bestes, das was ihre Namen auf ewig
fortleben lassen wird, auch aus Eigenem geschöpft!
Andererseits hat Feuerbach den alten Venetianern,
wenn auch sicherlich nichts äusserlich abgeguckt,
so doch ebenso sicher sehr vieles tief innerlich
nachempfunden. Wie aber Stuck, von dem Gurlitt
selbst sagt, dass er \m Grunde nie ganz selbständig ,
gerade zu denen zu rechnen ist, welche Kunst aus
Eigenem geben, ist mir nicht recht erfindlich.
Trotzdem hätte der virtuose Techniker Stuck nicht
verdient, so kurzer Hand abgehandelt zu werden,
wie ihm dies von Gurlitt's Seite aus zu teil wird.
Er teilt dies Schicksal zwar mit manchen anderen
Grössen, so mit Genelli, den der Verfasser auf
einer Seite abmacht, während er dem trefflichen
Maler und noch trefflicheren Humoristen Spitzweg
nur acht Zeilen gönnt! Das ist denn doch ein
grosser Mangel in der Ökonomie eines Buches von
700 Seiten! Wie überausführlich wird dagegen
Liebermann behandelt! So liesse sich in Bezug
auf Anordnung und Ökonomie des Buches noch
leicht mancherlei tadeln, wenn auch gewiss schwerer
besser machen. In der Beurteilung der einzelnen
Künstlerpersönlichkeiten tritt das Streben des Ver-
fassers, originell zu sein, nach meinem Gefühl
etwas zu stark in den Vordergrund. Es fehlt die
edle Einfachheit. Es haftet dem Buch etwas Sen-
sationell-Journalistisches an, wenigstens wenn man

einen hohen Masstab daran anlegt und es etwa mit
den Schriften der Burckhardt, Wölfflin ver-
gleicht. Sehr zu loben an unserem Buche ist da-
gegen, dass es nie langweilig ist, man mag es auf-
schlagen, wo man will. Ausserordentlich aner-
kennenswert ist ferner das Streben nach Objektivität.
Der Verfasser hat zwar von allen Dingen eine sehr
kräftig ausgebildete eigene Meinung, mit der er
sogar bisweilen ein klein wenig kokettiert, aber er
sucht dem Leser nie weiss zu machen, dass er über
die alleinseligmachende Wahrheit verfüge, sondern
er pflegt seiner Ansicht die anders Denkender gegen-
überzustellen, so dass der Leser in stand gesetzt
wird, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Dieses
Streben nach Objektivität unterscheidet Gurlitt's
Werk von Muther's Geschichte der Malerei.
Gurlitt giebt sich im Gegensatz zu Muther
Mühe, auch den aus der Mode gekommenen Kunst-
richtungen gerecht zu werden. Er hat wohl auch
ein tieferes Verständnis wie Muther für die um
Cornelius. Im Grunde seines Herzens aber ist
Gurlitt gerade wie Muther vorwiegend ein leiden-
schaftlicher Verehrer der Modernen und zwar so-
wohl derjenigen, die nach möglichst wahrer und
tiefer Erfassung der Natur im heutigen Sinne und
weiter nach nichts streben, an deren Spitze Lieber-
mann steht, als auch derjenigen, welche die Göttin
Phantasie zu ihren Schöpfungen herbeirufen, denen
das Banner voranträgt der uns allen teure greise
Arnold Böcklin. 19]

F. Pt. MODERNE KIRCHENA1ALEREI. Liefe-
rung 1. (Wien, Schroll & Cie., 12 M.) Wundern
muss man sich immerhin, dass gerade eine Wiener
Publikation dieser Art nicht mit dem alle Konkur-
renten so weit überragenden Führich, sondern mit
dem daneben so viel schwächeren, wenn auch
immerhin achtbaren Engerth begonnen ward.
Indes wird uns Führich wenigstens in Aus-
sicht gestellt und neben Engerth Groll ge-
geben. Leider auch Jobst und Jenewein, die
beide nicht in eine solche Vorbilder-Sammlung
gehören, deren Folge wohl diesen Anfang leicht
überbieten dürfte. P]

Redaktionsschluss: 1. September 1899. Ausgabe: 21. September 1899.

Herausgeber: Friedrich Pecht. — Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwärtz.
Verlagsanstalt F. Bruckmann a.-g. in München, Nymphenburgerstr. 86. — Bruckmann'sche Buch- und Kunstdruckerei in München.
 
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