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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Fitger, Arthur: Aus meinem Leben, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0142

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-3-S^> A. FITGER. AUS MEINEM LEBEN -C^S=^

einem gemieteten Bauernhause an einem Dorf-
wege, der von einer langen Reihe vielhundert-
jähriger Eichbäume unendlich malerisch über-
schattet war, vertauscht, da wurde die Frage
nach einem neuen Atelier akut, und mein
leider allzufrüh verstorbener Freund, Herr
Willy Rickmers, der seinerseits Besitzer des
schönsten Schlosses und prächtigsten Parkes
in Bremens Umgegend war, that mir auf
meine Frage nach Bauplätzen nebst den dazu
gehörigen Kostenpunkten hier und dort und
dort und hier den genialen Vorschlag: „Bauen
Sie doch Ihr Haus und Ihr Atelier an irgend
einer Stelle meines Parkes; wir schliessen
eine rechtskräftige superficies, dann haben
Sie was Sie wollen, und mich kostet es Nichts."
Ich war geblendet von solcher Idee. Und
dennoch, so geschah es. Unter herrlichen,
uralten Bäumen, die nicht mir gehören, auf
einem Terrain, das nicht mir gehört, habe
ich infolge wohl verklausulierten Kontraktes
ein Haus gebaut, das mir gehört. Niemals
betrete ich die prächtige Kastanienallee, die
zu meiner Hausthüre führt, ohne dem ver-
storbenen Freunde für seinen famosen Einfall
zu danken, der mir alle Annehmlichkeiten
eines Gutsherren ohne eine einzige seiner
Unannehmlichkeiten gewährt. Anno 1890 in
diese neue Heimstätte die Meinigen, und
namentlich meine Mutter zu geleiten, war
mir eine unbeschreibliche Freude; ich hatte,
da ich mein eigener Architekt war, alles aus-
gesonnen, was ihnen bequem und erfreulich
sein konnte; die Fenster meiner Mutter gingen
auf einen stillen, von Seerosen geschmückten
Teich, über den die gewaltigsten Eichen ihre
kühn gezackten Aeste streckten. Leider sollte
die alte Frau nur ein einziges kurzes Jahr
diese friedliche Spätabendstille geniessen; in
ihrem siebenundsiebzigstenjahre, ohne schwere
Krankheit, ohne Sorgen und Schmerzen, schloss
sie die Augen. Von ihrem Bette hatte sie noch
immer die Blicke hinaus ins Freie gerichtet:
„Sieh doch, wie schön die Sonne durch das
braune Eichenlaub scheint!" Das waren ihre
letzten Worte. So lange ich denken kann,
hat sie mich auf die Schönheit hingewiesen,
mit einem Hinweis auf die Schönheit ist sie
von mir geschieden. Sie war eine Heidin im
edelsten Sinne des Wortes, ohne alles kirch-
liche Bedürfnis, bei Taufe, Konfirmation und
Vermählungihrer Kinder dasDekorum wahrend,
aber nicht mehr; allein ein Charakter, der weit
hinaus über alles dogmatische Gesetz und alle
dogmatische Verheissung sich selbst ein Ge-
setz war. Wenn ich an eine Asphodeloswiese
glaubte, könnte ich mir denken, dass sie dort
mit Penelope, Cornelia, Arria, Volumnia sich

begegne, nur dass deutsche Milde an Stelle
jenes antiken eisernen Heroismus getreten
wäre. Ohne Pastorenmitwirkung, unter den
Klängen schlichter Volkslieder, haben wir sie
kaum zehn Minuten von meiner Thüre im
Schatten des schönsten Eichenriesen zur Ruhe
bestattet.

Wer selber weisse Haare hat und noch
seine Mutter im Hause sieht, darf für so
seltene Gunst allen Göttern danken; ich habe
von klein auf mir keinen schwereren Schick-
salsschlag denken können, als den Tod meiner
Mutter; dass dieser Schlag mich erst getroffen
hat, nachdem ich selber die Fünfzig schon
überschritten hatte, war auch eine der vielen
Segnungen eines gütigen, ja ich möchte sagen,
parteiischen Geschickes. Parteiisch wenigstens
muss es dem erscheinen, der nur die bunte,
glatte, glänzende Oberfläche meines Lebens
ins Auge fasst. Medaillen jedoch haben ihre
Kehrseite, und wenn es mir auch wahrlich
ganz fern liegt, den Ruffiano meiner Gedichte
machen zu wollen, so möchte ich doch allen-
falls den geneigten Leser auf die in jenen
drei Büchlein sub rosa in der Musen stillem
Hain abgelegten Beichten hinweisen, damit er
sehe, dass, wenngleich ich nicht in Prosa davon
rede, zu der koloristischen Gesamterscheinung
meines Lebens nicht nur Weiss, jaune brillant,
Cadmium, Zinnober, sondern auch Dunkel-
ocker, Umbra, Giftgrün und schwarzes, aller-
schwärzestes Beinschwarz gehöre.

JOS. ALTHEIMER DETAIL VOM ALBERTUS-ALTAR

„Albertus Magnus zu Donaustauf den Kommentar zum
h. Lukas schreibend"

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