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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen – Denkmäler - Kunstlitteratur - Vermischte Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0156

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-s-fisS?- KUNSTLITTERATUR

— VERMISCHTE NACHRICHTEN <^s-

Leistung zugleich in gewissem Sinne aktuell: es will
der modernen Lust an der Frührenaissance gegen-
über die Klassik wieder im Geschmack der Heutigen
zu Ehren bringen. ;Misstrauisch und ungern tritt
man aus dieser munteren, bunten Welt der Früh-
renaissance hinüber in die hohen, stillen Hallen
der klassischen Kunst. — Das Wort - klassisch«-- hat
für uns etwas Erkältendes.- Den häuptsächlichen
Grund unseres Vorurteiles gegen den italienischen
Klassizismus sieht Wölfflin darin, dass man sich
in den folgenden Jahrhunderten bis heute gewöhnte,
-ein durch und durch National Bedingtes als ein
Allgemeines zu nehmen.- Infolge der missver-
standenen Uebertragung der spezifisch italienischen
Klassik auf fremde Verhältnisse hat man schliesslich
-soviel Klassik zu schlucken bekommen, dass der
Magen nach dem Herberen verlangt, wenn es nur
rein ist.- Diesen Voreingenommenen gegenüber fasst
nun Wölfflin sein Bekenntnis dahin zusammen:
>Und doch ist die klassische Kunst nichts als die
natürliche Fortsetzung des Quattrocento und eine
vollkommen freie Äusserung des italienischen Volkes.
Sie ist nicht entstanden in Nachahmungeines fremden
Vorbildes — der Antike — sie ist kein Produkt der
Schule, sondern erwachsen auf offenem Felde, in
der Stunde des kräftigsten Wuchsest — Wölfflins
Werk ist nicht nur für den engeren Kreis der
berufsmässigen Hüter älterer Kunst da. Wirwüssten
sogar kaum eine Schrift, die geeigneter wäre, ge-
bildete Kunstfreunde in die Seele einer vergangenen
Kunstperiode einzuführen. Umsomehr als die für
Untersuchungen dieser Art unumgänglichen Ab-
bildungen der in Betracht kommenden Kunstwerke
dem Buche in hinreichenderZahl beigegeben sind. Wir
hoffen, es werden auch die Künstler an ihm Freude
haben. Es bedeutet einen guten Schritt vorwärts.

VERMISCHTE NACHRICHTEN

Ö KARLSRUHE. Hans Thoma, der bekanntlich
auf die persönliche Initiative seines kunstsinnigen
Landesfürsten hin als Direktor der Grossherzog-
lichen Kunsthalle hierher berufen wurde, hat sich
durch die Ausstellung seines graphischen Werkes
im Grossherzoglichen Kupferstichkabinett aufs glück-
lichste hier eingeführt. Wir lernen da den gemüts-
tiefen und deutschesten aller Maler von einer neuen
Seite kennen, die uns Bewunderung abnötigt für die
erstaunlich umfangreiche, tiefsinnige und poetische
Kunst dieses merkwürdigen, die Volksseele so trefflich
wiedergebenden, durchaus originalen Meisters. Für
das Kunstleben der badischen Residenz bildet der
Name Hans Thoma, das ist schon fast jedem klar ge-
worden, einen sehr wichtigen Faktor und man kann
demselben zu dieser glücklichen Acquisition nur aufs
herzlichste gratulieren. — Zugleich damit hat auch
ein, dem vorigen geistesverwandter und eben-
bürtiger, schon längst verstorbener Meister mit einem
seiner ergreifendsten Hauptwerke seinen Einzug in
Karlsruhe gehalten. Nach mancherlei Schicksale und
Fährlichkeiten sind endlich die beiden grossen Flügel-
altarbilder von Mathias Grünewald, die Kreuzi-
gung und Kreuztragung Christi-, aus Tauberbischofs-
heim, für dessen Kirche sie der deutsche Correggio
um 1520 malte, in die hiesige Gemäldegalerie ge-
langt, wo sie hoffentlich ihren bleibenden Platz er-
halten werden. Die gesamte altdeutsche.Kunst, Dürer
inbegriffen, hat wohl nichts grossartigeres, packen-
deres und ergreifenderes geschaffen, als diese beiden
Meisterwerke, die in ihrer grausigen, hochdrama-
tischen, durchaus modern empfindenden Realistik
weit über alles Zeitgenössische hinausgehen. — Von
dem leider nach Stuttgart übergesiedelten Grafen

Kalckreuth wurde dessen neuestes grosses Ge-
mälde Gewitterwolken-, das auf der diesjährigen
Dresdener Ausstellung berechtigtes Aufsehen er-
regte, für die Grossherzogliche Kunsthalle, gleich-
falls auf persönliche Initiative des Landesherrn hin,
erworben. Dasselbe ist ein grossartig aufgefasstes,
mit elementarer Wucht wirkendes, koloristisch sehr
fein empfundenes Werk des begabten Meisters und
kann als eine höchst glückliche Erwerbung der an
wirklich modern empfundenen Werken nicht über-
reichen Karlsruher Galerie bezeichnet werden. — Im
Auftrag des Grossherzogs von Baden hat Professor
Ferdinand Keller ein lebensgrosses Bildnis des-
selben geschaffen, das man zu den feinsten und
durchgefühltesten Arbeiten des berühmten Historien-
malers und feinen Koloristen zählen darf. Auch
das Bildnis des bekannten Heidelberger Philosophen
und Goetheforschers Kuno Fischer von Professor
Kaspar Ritter ist eine sehr tüchtige Leistung
dieses beliebten und begabten Bildnismalers, dessen
Arbeiten sich immer mehr vervollkommnen. Ein
neues aufstrebendes Talent auf diesem Gebiete ist
der Kellerschüler Otto Propheter, der jetzt schon,
trotz seiner Jugend, Erstaunliches — anscheinend
mühelos — auf dem Gebiete des Porträts uns vor-
führt. Wenn er es versteht, sich von dem Hand-
werklich-Flachen und Trivialen fernzuhalten — dem
der Bildnismaler, namentlich wenn er viele Auf-
träge, wie der Genannte, auszuführen hat, leicht
unterliegt — kann wohl noch etwas Grosses aus
ihm werden, da er das Rüstzeug dazu unzweifel-
haft in sich führt. [162]

= DÜSSELDORF. Für die Beschaffung eines
Plakates, das der Ankündigung der für 1902 ge-
planten Industrie-Ausstellung und der damit ver-
bundenen deutsch-nationalen Kunst-Ausstellung
dienen soll, ist unter Festsetzung von sechs Preisen
ein Wettbewerb unter deutschen und deutsch-öster-
reichischen Künstlern eröffnet worden. Einlieferungs-
termin: 1. Februar 1900. [161]

= BERLIN. Die Kunstzeitschrift Pan<; wird
demnächst eingehen, nachdem die gleichnamige
Gesellschaft, welche das Unternehmen finanziell
stützte, ihre Auflösung beschlossen hat. I149l

= MÜNCHEN. Ein neuer Kunstsalon ist dieser
Tage von dem langjährigen stillen Teilhaber der
ehemaligen hiesigen Hofkunsthandlung Neumann
unter der Firma Kunsthandlung von H. L. Neumann
Nachfolger in den Parterre-Räumen des Hauses
Karlstrasse 4 eröffnet worden. t153l

= PARIS. Albert Bartholomen Grabmonu-
ment auf dem Pere Lachaise ist vollendet. Von
der Gestaltung des grossartigen Werkes berichteten
wir unter abbildlicher Wiedergabe einiger Teile
desselben im H. 17 d. letzt. Jahrgangs. Auf dem
Nationsplatze ist die Aufstellung von Jules Dalou's
Triumph der Republik- nahezu beendet. t15|I

= BERLIN. Aus der Reichenheim-Stiftung
wurden für das Jahr 1899 1900 zwei Stipendien mit
je 600 M. an die Maler Hermann Struck aus
Berlin und Rudolf Thienhaus aus Engelskirchen
verliehen. [163]

= BARMEN. Die nächstjährige, hier geplante
achtundzwanzigste Hauptversammlung der »Ver-
bindung für historische Kunst wird voraussichtlich
erst Anfang Oktober 1900 stattfinden, da die Voll-
endung des neuen Gebäudes des hiesigen Kunst-
vereins, in dessen Räumen die Sitzungen abgehalten
werden sollen, erst für diesen Zeitpunkt zu er-
warten ist.

= MÜNCHEN. Carl Maurer, Schwanthaler-
strasse 35, versteigert am 5. Dezember den künst-
lerischen Nachlass des Malers Peter Herwegen.

Redaktionsschluss: 18. November 1899. Ausgabe: 30. November 1899.

Herausgeber: Friedrich Pecht. — Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schtartz.
Verlagsanstalt F. Bruckmann a.-g. in München, Nymphenburgerstr. 86. — Bruckmann'sche Buch- und Kunstdruckerei in München.
 
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