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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Gronau, Georg: Englische Porträts
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0159

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ENGLISCHE PORTRÄTS

E

Von Georg Gronau

(Nachdruck verboten)

s muss in den tiefeigensten Charakterzügen die Kunst nahezu abgewirtschaftet hatte und
des britischen Volkes begründet sein, dass unfähig geworden war, sich zu neuen grossen
in England die Porträtmalerei vor allen an- Leistungen zu erheben, sind in England gleich-
deren Zweigen malerischer Kunstübung be- zeitig Reynolds und Gainsborough thätig,
vorzugt worden ist. Einmal wird man an neben ihnen Künstler, wie Romney, Hoppner
den angebornen Wirklichkeitssinn des Volkes u. a., in Schottland der über die Grenzen
denken dürfen, der ein Kunstwerk am ehesten seines Vaterlandes nicht genügend gewürdigte,
begreift, das sich treu an ein gegebenes treffliche Raeburn. In unser Jahrhundert
Modell halten muss; dann aber wird die leitet dann der mehr geschickte als bedeutende,
Vorherrschaft grosser und mächtiger Familien, sicherlich weit überschätzte Thomas Lawrence
die Kontinuität in der Familientradition, nicht hinüber.

gering anzuschlagen sein. Eine aristokratische Und so ist es denn in England dabei ge-
Familie, die seit Jahrhunderten auf ihrem blieben, dass kein Zweig der Malerei mehr
Herrensitz ansässig ist, und wohl denkt, dass gepflegt wird, wie das Porträt. Auf diesem
weitere Jahrhunderte ihr beschieden sind, wird Gebiet und auf dem der Landschaftsmalerei
ihre Kunstpflege zuerst bethätigen, indem sie liegen die grossen Verdienste der englischen
von einem vorzüglichen Meister ihre Mit- Kunst. In unserem Jahrhundert hat diese,
glieder abkonterfeien lässt — zur Erinnerung eben hierin, massgebenden Einfluss auch auf
den nachkommenden Geschlech-
tern.

Als typische Erscheinung muss
es doch angesehen werden, dass
die bedeutendstenunter den Künst-
lern, die im Laufe der Jahrhun-
derte nach England gezogen wurden
und zunächst für den Hof, dann
für die Vornehmen des Landes
thätig waren, alle in erster Linie
Porträtmaler gewesen sind: Hans
Holbein, Antonis Moro, Joos
van Cleef im sechzehnten, van
Dyck und die Deutschen Sir Peter
Lely (ein Westphale) und Gott-
fried Kneller — aus Lübeck
gebürtig — im siebzehnten Jahr-
hundert. Noch heutigen Tages
findet man in englischen Samm-
lungen jene unerschöpfliche Masse
glänzender Porträts; voran in
Windsor (die berühmten Hol-
beins und van Dycks) und in
Hamptoncourt, dann überall auf
den vornehmen Herrensitzen des
englischen Hochadels.

Man möchte es demnach fast
als selbstverständlich verzeichnen,
wenn die eigene selbständige
Kunstübung des englischen Volkes
beginnt mit jener Reihe grosser
Porträtmaler, um die man Eng-
land fast beneiden könnte. In
der Zeit, wo im übrigen Europa Maurice greiffenhagen bildnis

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Die Kunst für Alle XV. 7 1. Januar 1900. 147
 
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