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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Pecht, Friedrich: Die deutsche Kunst an der Wende des Jahrhunderts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0185

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- r-Ssö> DIE DEUTSCHE KUNST AN DER WENDE DES JAHRHUNDERTS <Ö3=^

bringen! Vielmehr verging derselbe unter hier findet sich der Fortschritt, genau wie

beständigen Anstrengungen, solche wieder in der Malerei, in der schärferen Cha-

zu erringen, wie sie das sechzehnte und rakteristik und in der weit geschickteren

selbst das siebzehnte Jahrhundert allgemein Handhabung der Farbe, die bei all unseren

besassen. älteren Bauten noch eine kläglich kalte und

So finden wir denn jetzt fast die gesamte bunte bleibt.
Kunstwelt nach jener höheren technischen Ist aber die Malerei überhaupt die eigent-
Ausbildung ringend, aus der erst ein neuer liehe Kunst des Jahrhunderts, die alle andern
Stil hervorgehen kann, den man indes, bei beeinflusst, so hat sie auch weitaus die grössten
der Baukunst wenigstens, auch überall schon Fortschritte gemacht. So sind Meister wie
im Keimen findet. Um ihn zu sehen, ver- Menzel und Knaus in Berlin, Defregger
gleiche man nur die in München, Berlin oder und Lenbach in München, Keller in Karls-
W'ien nach 1870 entstandenen Monumental- ruhe ganz neu. Sie haben der Charakte-
bauten mit ihren Vorgängern, und man wird ristik überhaupt, wie der Darstellung des
darüber nicht im Zweifel bleiben. Genau Naiven insbesondere eine Entwickelung ge-
wie die Malerei haben auch sie meist eine geben, die vorher unbekannt war. Selbst
schärfere Charakteristik, sprechen ihre Be- die „Secession" ist trotz aller gelegentlichen
Stimmung deutlicher aus. Versteht sich das Geschmacklosigkeiten ein zweifelloser Schritt
bei unseren Banken, Schulen aller Art, Gast- vorwärts, wenn auch in eine noch ziemlich
höfen und Cafes, ja sogar bei Ministerien unbekannte Zukunft. Die Geschmacklosig-
fast von selbst, da sie den Vorteil hatten, keiten rühren übrigens fast immer von dem
neue Bedürfnisse befriedigen zu müssen, so falschen Bestreben her, die Kunst zum Mo-
kann auch nicht geleugnet werden, dass selbst nopol einzelner reicher Liebhaber, statt zum
für die vielen Kirchenneubauten oft sehr Er- Gemeingut aller zu machen. Letzteres aber ist
hebliches geleistet wurde, wie die St. Anna- gerade die Tendenz, die unbewusst jetzt alles
und St. Lukas-Kirche, dann die Synagoge beherrscht. So gut viele Sozialdemokraten
in München hinreichend beweisen. Man ver- die Freiheit für den Arbeiterstand monopoli-
gleiche mit ihnen nur die Kirchenbauten sieren möchten, so gut giebt es auch ganz ähn-
aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts, so liehe Bestrebungen in den bildenden Künsten,
wird man den Fortschritt gerade im Stil- Zukunft haben alle beide nicht. Aber dass
Verständnis auffallend genug finden. Ganz dem ungeachtet unser Jahrhundert die Wirk-
charakteristisch für unsere Zeit und ihre samkeit der Kunst wie ihr Gebiet ganz un-
Tendenzen ist aber doch, dass die besten geheuer erweitert habe, das hoffen wir hier
Bauten dieser Periode bei uns eine Schule — gezeigt zu haben. Es wird die Aufgabe des
die Akademie der Künste, — dann ein Museum nächsten Säculums sein, auf diesem Wege

— das Nationalmuseum — endlich ein Mini- einer volkstümlichen Kunst zu vollendeten
sterium — der Justiz — sind. Aber auch Schöpfungen fortzuschreiten.

RUDOLF SCHULTE IM HOFE ERZHERZOG JOSEF AUGUST VON OESTERREICH

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