Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Von Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten – Kunstlitteratur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0231

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-^£> KUNSTLITTERATUR -C^£=^

vi. W. TrCbner. Die Verwirrung der Kunst-
begriffe. (Frankfurt a. M., Litterarische Anstalt, 2 M.).
Soeben sind in zweiter vermehrter Auflage Trübners
Betrachtungen über die Verwirrung der Kunstbe-
griffe erschienen. Die Schriften dieses Malers haben
immer etwas Aktuelles an sich. Wie Whistler in
England, so verficht Trübner in Deutschland nicht
nur durch seine Thätigkeit als Maler, sondern auch
durch seine ehrlichen und originellen Schriften das
Prinzip des rein (und wirklich) Künstlerischen gegen
die leider so sehr wirksamen Angriffe von seite der
akademischen und handwerksmässig arbeitenden
Produktion. Er findet stets neue und in ihrer Kühn-
heit eigentlich vernichtende Worte gegen den un-
lauteren Wettbewerb, der sich in Deutschland auf
künstlerischem Gebiet, wenn auch nicht so lebhaft
wie in England, aber immer noch lebhaft genug be-
thätigt. Es ist dabei im höchsten Grade anerkennens-
wert, dass Trübner nicht einseitig wie die meisten
-Künstler- die Ursache der bestehenden Verwirrung
der Kunstbegriffe bei den Laien sucht, sondern seine
schwere Hand auch auf die Schulter der Auchkünstler
legt und nachweist, dass es gerade das Unverständnis,
nicht nur der Neid ihrer Standesgenossen war, das
den grössten Künstlern ihr Vorwärtskommen oftmals
so sehr erschwert hat. Wer so sehr und so lange
mit offenen Augen im Getriebe unseres deutschen
Kunstlebens gestanden ist, der weiss selbstverständ-
lich manches gute Wort mitzusprechen bei den
schwierigen Kapiteln über Anlage und Leitung
unserer Kunstsammlungen und Ausstellungen, ob-
gleich nicht zu verkennen ist, dass gerade hier der
Verfasser manchmal seine Zuflucht zu Sophismen
nimmt. Sehr beherzigenswert und wohl rückhaltlos
anzuerkennen sind Trübners Ansichten über den
Kunstuntericht an den Akademien. Seine Forderung,
die Komponier- und Bildermalschulen' abzuschaffen,
ist gut begründet. Es ist leider hier nicht der Raum,
die wichtigen von Trübner angeregten Fragen alle
zu besprechen; wir müssen uns bescheiden, auf
die kleine und billige Schrift hinzuweisen, als auf
die That eines ernsthaften Mannes, dessen Aeusse-
rungen unter allen Bedingungen viel Beachtung ver-
dienen. I230]

E.- PaulThiem : Kunstverständnis und Vornehme
Leute. (München, Karl Haushalters Verlag, 50 Pfg.l.
Zu den Malern, die über ihre Kunst geschrieben,
hat sich nun auch Paul Thiem gesellt, der durch
seine malerischen Leistungen als ein feiner und
sinniger Mann bekannt ist. Und fein und sinnig
ist auch sein kleines Buch. Nicht das Technische
der Malerei ist es, das er behandelt, sondern das
Verhältnis zwischen Kunstwerk und Publikum. Mit
warmem, überströmendem Herzen kämpft er gegen
die Gleichgültigkeit, den Dünkel, die Schwerfälligkeit
der Massen, mit schlagendem, durch treffende Ironie
gemilderten Spott führt er seine Sache ohne jenem
bitteren Gefühl, das ihn, wie jeden echten Kunst-
freund wohl manchmal durchzittert, herben Ausdruck
zu geben. Zur wahren Vornehmheit ermahnt er
die Menschen. So sehr das Wort vornehm ■ auch
in aller Munde ist, so selten sind doch diejenigen,
denen es mit vollem Recht beigelegt werden kann.
Denn eine wahrhafte Vornehmheit erstreckt sich
auf alle Teile menschlichen Lebens, sie durchdringt
das ganze Dasein und duldet, soweit die Macht des
einzelnen reicht, in seinem Kreise nichts Gemeines,
nichts Triviales. Sei vornehm, d. h. liebe was schön
und gut ist und hasse, was falsch und schlecht ist;
sei vornehm, d. h. sei bescheiden, überhebe dich
nicht über den Künstler, der mit seiner ganzen Seele
sein Werk schuf, sondern suche ihn zu verstehen,
ordne dich ihm unter und geniesse, was er dir bietet.

Und vor allem lerne verstehen, dass Kunstgenuss
kein Zirkusvergnügen ist, dass Kunst erarbeitet sein
will. Thiem weiss die tieferen Ursachen wohl zu
würdigen, die Schuld sind an den Schäden, die er
beklagt, er weiss, dass wenn eine Besserung kommen
soll, die Schulbildung vor allem mitarbeiten muss,
indem sie nicht leeren Gedächtniskram einbläut,
sondern lebendiges Empfinden und Sinnenfreudigkeit
erweckt. Hoffen wir, dass dieses Büchlein dazu bei-
trägt und manchen aufstachelt aus schwerfälliger
Gleichgültigkeit, sich selbst und anderen einen höheren
Kunstgenuss zu verschaffen und im Sinne Thiems
zu erziehen 5Vornehme Leute . Möge sein Zuruf
an die Einflussreichen Widerhall finden: - Machthaber,
thuet eure Pflicht !« — V23]

W. Fritz Schumacher. Im Kampf um die
Kunst. Beiträge zu architektonischen Zeitfragen.
[Ueber die Kunst der Neuzeit, i. Heft.] (Strass-
burg, J. H. Ed. Heitz, 2 M.) Zwölf Aufsätze, die
im Laufe des verflossenen Jahres in verschiedenen
Kunstzeitschriften erschienen, auch die Kunst
für Allee und die »Dekorative Kunst brachten
einige derselben, sind hier zu einem Buche ver-
einigt. Der Verfasser hat ganz recht, wenn er in
der Einleitung betont, dass sich um alle die ver-
schiedenen Themata ein fester Rahmen schmiegt:
doch ist's wohl nicht nur die Gleichheit des Ge-
sichtswinkels, unter dem die Objekte erscheinen,
sondern auch eine einheitliche, scharf ausgeprägte
Kunstauffassung, die den oft weit auseinander-
liegenden Gegenständen des Buches einen Zug
von Verwandtschaft giebt. Die ruhige Objektivität,
bei aller Kritik, wird jeden ansprechen, ob er es
mit dem -Neuen oder dem -Alten- hält, gerade
jetzt, wo im Kunstkampf die Parteifahne oft heftiger
als nötig geschwungen wird. Mitten im Strome
moderner Kunstanschauung fährt Schumacher
einher, aber er sieht und zeigt die Untiefen, auf
denen man festsitzt und die Altwasser, die ab vom
lebendigen Flusse führen. Im Kampf um die
Kunst- ist er nicht müssig, doch teilt er Hiebe
nach rechts und links aus; alte Vorurteile und ganz
neue Missverständnisse kommen gleich schlecht weg.
So besonders in den Aufsätzen Stil und Mode« und
Bürgerliche Baukunst«. — »Beiträge zu architek-
tonischen Zeitfragen heisst der Untertitel, die Archi-
tektur ist aber nur der Grundton, auf den ganz all-
gemeine ästhetische Betrachtungen gestimmt sind,
in manchen Aufsätzen tritt sie ganz zurück und
andere Dinge, besonders das Kunstgewerbe, stehen
im Vordergrund. Geistreich und sehr beherzigenswert
zugleich ist in dieser Art ein Aufsatz in Gesprächs-
form -Der Maler und das Kunstgewerbe-. Erweist
auf die Gefahren hin, die die vielfache Flucht der
Maler zu diesem Fach mit sich bringt. Ferner: »Das
Dekorative in Klinger's Werken-, »Vom Ein-
rahmen '. Oft sind es ganz einfache Wahrheiten,
fast selbstverständliche Sachen, an die aber noch
lange nicht jeder gedacht hat und die man mit Ver-
gnügen klar und deutlich ausgesprochen hört. Klar-
heit, fest abgeschlossene Kunstanschauung, scharfes
wohlbegründetes Urteil sind wohl die Hauptvorzüge
des Buches; der den Lesern der »K. f. A.« bekannte
Aufsatz in aphoristischer Form ; Englische Ein-
drücke« lässt diese Vorzüge vermissen, allerdings
wird er dadurch auch nicht uninteressant, vielleicht
im Gegenteil. Das Buch wird der Anerkennung
der Fachgenossen sicher sein: an den Laien wendet
es sich aber in erster Linie, und wenn es nur die,
die es lesen, zum selbständigen Nachdenken in
Kunstangelegenheiten und zu selbständiger Beur-
teilung von Kunstfragen anregt, wird es viel Gutes
stiften. [108]

Redaktionsschluss: 5. Januar 1900. Ausgabe: 18. Januar 1900.

Herausgeber: Friedrich Pecht. — Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwartz.
Verlagsanstalt F. Bruckmann a.-g. in München, Nymphenburgerstr. 86. — Bruckmann'sche Buch- und Kunstdruckerei in München.
 
Annotationen