Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Voll, Karl: Die Kunst und die Lex Heinze
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0332

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
«s-Jsö> DIE KUNST UND DIE LEX HEINZE

Herren Richter vor eine gemalte Land- ohne genügende Kenntnis urteilen müssen,
schaft und lasse sie sagen, was sich der darf ein höchst beunruhigendes Moment er-
Künstler beim Malen gedacht hat. Die blickt werden. Die Ehre des Volkes ist be-
wenigsten werden das können und doch liegt droht, wenn man seine Justiz zu einem freveln
bei der Landschaft der Fall verhältnismässig Gaukelspiele zwingen will. Wenn nun aber
einfach. Wie aber will sich ein Mann in diese Vergewaltigung der Justiz gar dazu
einer kleinen Provinz- dienen soll, die wich-

stadt helfen, der viel- .--. tigsten Aeusserungen

leicht seit einem Men- der Kultur zu unter-
schenalterkeinMuseum drücken, wenn sie zu-
und überhaupt kein gleich sich als Demü-
gutes Kunstwerk ge- " , tigung jener Eigen-
sehen hat, der, wie man schaffen erweist, in
das im gewöhnlichen deren Pflege alle ge-
Leben so oft hören kann, J2|^^"' bildeten Völker ihren
ohne Zagen bekennt, ^ höchsten Ruhmestitel
dass er von Malerei erblicken, dann bedeu-
u. s. w. nichts versteht: tet die lex Heinze einen
wie soll nun ein sol- ^ gefährlichen Angriff auf
eher Mann, frage ich, L die Ehre unseres Vol-
in dem komplizierten kes. Darum wird sie
Fall, wo es sich um die bekämpft nicht allein
heikle Frage dernackten von Künstlern und
Kunst handelt, die Ab- Schriftstellern, sondern
sichten des Künstlers jJ . von überhaupt allen, die
erkennen und sichten? 4 einen lebendigen Sinn
Wenn nun er nicht nur für die Ehre unserer
nichts von den hier ein- t ' Nation besitzen,
schlägigen Fragen ver- HHk ' Während die obigen
- : - Ausführungen nieder-
das ja auch unter Ju- \ .. i geschrieben wurden,
risten nicht selten ist \.V ^H^^ haben sich im Reichstag
— als heiterer Jung- ■ stürmende Scenen ab-
geselle ein persönliches > gespielt: eine kräftige,
Wohlgefallen an dekol- j&u aber bis jetzt im deut-
letierten Witzen hat r: ^-.^-^ sehen Parlament uner-
und selbst dazu neigt, jjP^ ^^B^^^H hörte Obstruktion hat
die ernsten Thatsachen jffji $ '"^BPHBI bis auf weiteres jenes
des Geschlechtslebens Gesetz hinausgescho-
von der amüsanten Seite ben, von dem man ge-
zu fassen, wie soll er BL trost sagen darf, dass
dann zu der notwen- ^^^^^^^Z-^^M es ^em besten Teil
digen Objektivität kom- ; ; : unserer Nation verhasst
men! Und doch muss ■ sei. Einerseits ist diese
er Recht sprechen, wird Ite^ -V^^^BI^^^^^^^^^^^^^B^^^Bl Thatsache insofern
verurteilen, vielleicht max Kruse büste max liebermanns freudig zu begrüssen,
gegen seine Meinung als sie Deutschlands
verurteilen, bloss des- Kultur eine unheilvolle
wegen, weil er nichts von der Kunst versteht Blamage zu ersparen geeignet ist, anderseits
und weil solche, die der Kunst feindlich sind, darf man aber angesichts des Umstandes, dass
ihm diese Aufgabe gesetzt haben. Allerdings wir zu einer eigentlich doch beklagenswerten
kann er Sachverständige zu Hilfe nehme-- ■ *' truktionshandlung getrieben worden sind,
aber deren Urteil ist doch nur ein seh ,n jetzt darauf hinweisen, wie hässlich
sicherer Notbehelf, ausserdem in Sachen ae. uie Wirksamkeit der Zusatzparagraphen zur
Kunst auch nur in sehr wenig Städten erhält- lex Heinze sein wird. Die Früchte sind
lieh. In dem Umstand aber, dass man die schon jetzt nicht gut und darum muss der
Richter in eine Lage versetzt, in der sie ent- Baum wohl schlecht sein,
weder gegen ihr besseres Wissen oder aber Dr. Karl Voll

316
 
Annotationen