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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Stahl, Fritz: Max Kruse-Lietzenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0334

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-*-S£> MAX KRUSE-LIETZENBURG <Ö^~

monument seines Vaters, das einen tiefen in Holz ausgeführt, das Doppelporträt seiner
dichterischen Gedanken in grossem Stil aus- ältesten Kinder (s. u.) und das Porträt einer
drückt. Die Mutter Erde, als ein Weib voll jungen Amerikanerin (s. S. 320). Es ist noch
milden Ernstes und stiller Majestät verkörpert, aus den Nachbildungen zu ersehen, wie fein em-
empfängt den Körper des Verstorbenen zurück, pfunden diese Bildnisse in Geist und Form sind,
von dem eine jugendliche, anmutige Frauen- wie belebt und ausdrucksvoll die Züge, beson-
gestalt Abschied nimmt. Das Werk ist eines ders die Augen, und wie wundervoll sich gar die
der schönsten Grabdenkmäler, aber seine er- Technik, der Meisselstrich, dem individuellen
habene und weihevolle Stimmung, seine Herb- Charakter anpasst, hier die verunzelte Haut
heit waren gar nicht geeignet, zu „gefallen", der alten Frau, dort den zarten Teint des
am wenigsten im Sinne jener Zeit, den späten jungen Mädchens, da die unbestimmten Formen
achtziger Jahre, in denen in Berlin Eberlein kindlicher Gesichter wiedergiebt. Und dabei
der gefeierte Bildhauer war. sind die Arbeiten von grösster Einfachheit

In der folgenden Zeit beschäftigte sich der und Gesundheit, ohne jede Künstelei und
Künstler, wie gesagt, im wesentlichen mit Gewaltsamkeit, der man gerade in dieser Zeit
technischen Problemen. Es gelang ihm die so vielfach begegnet, um entweder viel Natür-
Erfindung des transparenten Marmorreliefs, lichkeit oder Stil zu erreichen. Kruse's Büste
eines Reliefs, das nach aussen wie jedes seiner Mutter war auf der Dresdener Aus-
andere erscheint, nach innen aber als trans- Stellung 1897 fast das einzige deutsche Porträt,
parentes Bild mit visionärem Charakter wirkt: das gegen die belgischen aufkam,
eine Erfindung, auf deren Verwertung man DieBeschäftigungmitderBildhauermaschine
unsere Architekten immer von neuem hin- gab dem Künstler die Anregung, das schöne
weisen muss. Daneben gingen Arbeiten an Material der alten deutschen Bildhauer, das
der Bildhauermaschine. Holz, wieder zu verwerten. Das erste Werk

In dieser Periode entstanden eine Reihe von dieser Art wurde die Gruppe „Der Liebes-
Porträtbüsten, deren hauptsächlichste diesen frühling", an der er viele Jahre, immer wieder
Zeilen abbildlich beigegeben sind: Die Porträts ändernd und verwerfend, gearbeitet hatte, und
seiner Mutter (S. 317), zuerst in Marmor, später die er nun in Holz vollendete. Eine tiefe und

keusche Erfindung belebt diese
Gruppe, hebt sie über das Genre-
hafte hinaus, giebt ihr etwas Sym-
bolisches. Der Mann, stark und
kraftvoll, tritt frei vor das Weib,
die zart und zag zu ihm aufsieht,
und wirbt um sie. Er fasst mit
festem Druck ihre Hand, Auge
ruht in Auge und giebt und em-
pfängt das Gelübde fürs Leben.
Man wird unschwer eine Weltan-
schauung aus dem Werke heraus-
lesen, die Anschauung eines
Mannes, der das Leben und die
natürlichen Mächte, die es re-
gieren, ernst nimmt. Das Werk
ist im tiefsten Sinne deutsch, nur
ein Deutscher konnte es schaffen,
und doch deutet es auch, in einer
Verbindung, die viele deutsche
Künstler hatten, in gewissem
Sinne zur Antike zurück, der
einzigen Epoche vor dieser, der
das Nackte das Natürliche war.

Für seine Porträtkunst hat sich
Kruse dann eine grosse Aufgabe
gewählt. Was in diesen letzten Ar-
beiten vor uns steht, ist wie der
Anfang einer Galerie der führen-
max kruse die kinder des kOnstlers den Geister unseres Lebens.

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