Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Das Münchener Künstlerhaus: zu seiner Einweihung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0363

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-^«feö> DAS MÜNCHENER KÜNSTLERHAUS *CÖ^

worauf sich die festliche Menge in den
glänzenden Räumen des Hauses verteilte,
um bis zur frühen Morgenstunde sich ihrer
selbst und der schönen Umgebung erst recht
zu freuen.

Zwei Tage später fand das grosse Prunk-
mahl statt, welches den Höhepunkt des Festes
bilden sollte, und zu dem nur eine beschränkte
Zahl von Einladungen ergangen war. Man
muss sich an die Zeiten erinnern, da die
deutschen Städte der Renaissance, wenn der
Kaiser in ihren Mauern zu Gast weilte, wett-
eiferten in fürstlicher Bewirtung, will man
dem hier Gebotenen etwas Aehnliches an die
Seite setzen. An neun Tafeln sassen die
Teilnehmer, jeder Tisch, mit köstlichem Schau-
gerät und eigens zu diesem Zweck hergestellten
Gläsern, Karaffen usw. zierlich bestellt, bildete
ein Kunstwerk für sich. Langgelockte Pagen
warteten auf, kostbar gekleidete Mohren (s. d.
nebenstehende Bild) besorgten die Bedienung.
Ein Chor ideal kostümierter und festlich be-
kränzter Frauen kredenzte unter hellem Ge-
sang den Festwein, während eine Kapelle
jeden Gang mit einem sinnig ausgewählten
Musikstück, zumeist historischen Kompositi-
onen, begleitete. Die Gerichte selbst er-
schienen in künstlerischer Zurüstung unter
Posaunenklängen und unter dem Vorantritt
kostümierter Zeremoniare. Schaugerichte
wurden durch den Saal getragen, so wie es bei
den alten Kaiserkrönungen zu Frankfurt her-
gegangen sein mag. Ein stattlicher Viermaster
führte den Kaviar herein, die Suppenterrine
deckte eine mächtige Schildkröte, der Fisch
erschien unter dem Zeichen des Neptun, von

Seepferdchen geleitet und von Nautilen ge-
tragen, das alte Zunftzeichen der Metzger,
ein grosser Zinn-Ochse, krönte das Gebäude,
das den Braten einschloss, während Beilagen
und Gemüse einen Schmuck von exotischen
Fabelblumen vortäuschten, und so ging es
fort in unendlichem — fünfstündigem — Zuge,
dessen einzelne Gruppen jedesmal ein lustiger
Narr mit gereimten Spässen empfing und
kommentierte. Es ist schwer, eine ausreichende
Schilderung von dieser Fülle der Erscheinungen
zu geben, die da auf Traggerüsten kräftige
Schultern von hochgewachsenen Farbigen
hereintrugen, indes wird man sich eine Vor-
stellung machen von dem dabei entwickelten
Geschmack und Geschick, wenn man die
Namen derer erfährt, die ihre Kraft in den
Dienst des Festes gestellt hatten: Emanuel
Seidl hatte die Rolle des Marschalls und
Regisseurs übernommen, die Schaugerichte
hatten Rudolf Seitz und Gabriel Seidl in
guten Stunden erdacht, der mehr bildhauerische
Teil ihrer Ausstattung rührte von Flossmann
und Rauch her, die Kostüme, zu denen teil-
weise echte, alte Renaissancestoffe, kostbarer
Brokat und Atlas, verwandt wurden, hatten
F. A. v. Kaulbach, von dem auch die Festkarte
(s. S. 338) stammt, und Papperitz entworfen.
Die Menukarte hatte Julius Diez gezeichnet,
das Glasgeschirr der Tafel wurde nach Skizzen
von Rudolf Seitz hergestellt. — Alles in
allem: es war ein Fest, wie es, man darf das,
ohne in den Verdacht ruhmredigen Lokalpatrio-
tismus' zu kommen, ruhig behaupten, wohl nur
in München möglich ist: ein Fest freudigen
Lebensgenusses, geadelt durch hohe Kunst.

MENUKARTE VON JULIUS DIEZ

347

44*
 
Annotationen