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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Tahi, Anton: Michael von Munkacsy
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0429

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MICHAEL VON MUNKACSY

Von Anton T/

Unendliche Trauer ist über uns Ungarn ge-
kommen.

Wir verloren einen Menschen, dem allein
unser nationaler Schatz mehr verdankt als
allen übrigen zusammen.

Wir verloren einen Menschen, welcher mit
der friedlichen Waffe der Kunst, mit dem
Pinsel, uns das Staunen, die Verehrung und
die Hochachtung der gebildeten Welt erwarb,
welcher gross ist unter den Grössten und
welcher mit dem glänzenden Lichte seines Ge-
nies die Kunst des scheidenden Jahrhunderts
beleuchtete.

Im Dunkel geboren — zu einer Zeit, als man

*

*

Michael Munkacsy wurde am 20. Februar
1844 in Munkäcs im Bereger Komitate geboren,
wo sein Vater Beamter des Salzamtes war.
Kurz vor Ausbruch des Freiheitskrieges wurde
der Vater nach Miskolcz versetzt, nahm an
dem Freiheitskampfe teil und geriet in Ge-
fangenschaft. Die Entbehrungen während
dieser Zeit erschütterten seine Gesundheit
derartig, dass er bald nach Erlangung seiner
Freiheit starb; kurze Zeit vorher starb auch
die Mutter. Der fünf elternlosen Waisen nahmen
sich die Geschwister der Mutter an und Michael
kam in das Haus seines Onkels Stefan Roeck
nachCsaba. Dieser, ein ernster, strenger Mann,
erteilte dem kleinen Jungen den ersten Unter-
richt. In Csaba wohnte auch die Schwester
der verstorbenen Mutter, sie gewann den
kleinen Michael besonders lieb und wollte
ihn nach Beendigung der Elementarschulen
in eine höhere Unterrichtsanstalt senden, als
sie infolge eines räuberischen Ueberfalls
ihr Vermögen und infolge des ausgestan-
denen Schreckens und der Misshandlungen
bald darauf auch ihr Leben verlor. Der Onkel
Stefan war infolge seiner Teilnahme am Frei-
heitskrieg seines Advokaten-Diploms verlustig
geworden und lebte daher in ziemlich dürf-
tigen Verhältnissen. Und so kam es, dass
der kleine Miska im Jahre 1855 zum Tischler-
meister Längi in die Lehre kam. Die nun
folgenden drei Jahre gehörten zu den traurig-
sten und an Entbehrungen reichsten Jahren
des Künstlers.*) Er musste ungeheure Mengen

*) Vergl. Michael von Munkacsy. Erinnerungen.
Die Kindheit. Aus dem Französischen übertragen
von F. Walther Ilges (Berlin, F. Fontane & Co.).

hi (Budapest)

(Nachdruck verboten)

von uns Ungarn nur wusste, dass wir das beste
Soldatenvolk sind, war er es, der unseren an
hundertjährigen Traditionen reichen Nach-
barn bewies, dass wir nicht nur am Schlacht-
feld, sondern auch im Garten der Musen zahl-
reich sind.

Dem Herrn über Leben und Tod gefiel es
in seinem unergründlichen Ratschlüsse, unser
teuerstes Kleinod mit strenger Hand zu ver-
nichten . . .

Das grosse Werk fiel in den Staub und unser
grosserMeister kehrte in denSchossderMutter-

erde zurück.....doch nur sein Körper gehört

der Erde, sein reiches Erbe ist ewig unser.

von Farben reiben, Brückengeländer, Zäune
anstreichen, Arbeiten verrichten, welchen sein
ziemlich zarter Körper nicht gewachsen war.
Im Jahre 1858 wurde er Geselle und nach
kurzer Arbeitszeit in Arad zwang ihn ein
zehrendes Fieber noch einmal an die Gast-
freundschaft seines mittlerweile nach Gyula
übersiedelten Onkels Stefan zu appellieren.
In diese Zeit fallen die ersten zeichnerischen
Versuche Munkacsy's — und das Resultat
war, dass der Onkel sich bewogen fühlte, ihm
bei einem Schildermaler Namens Fischer —
Zeichenstunden geben zu lassen. Hier lernte
Munkacsy denMalerSzamossy kennen, welcher
das Talent des jungen Tischlergesellen er-
kannte und viel dazu beitrug, dass der Onkel
einwilligte, dass Munkacsy Maler werde. Mit
Szamossy blieb Munkacsy noch achtzehn Mo-
nate beisammen und schied dann schweren
Herzens von dem vortrefflichen Manne, der
ihn mit Rat und That unterstützte.

Im Jahre 1863 kam Munkacsy nach Pest,
lernte hier den Landschaftsmaler Anton Ligeti,
welcher damals Kustos der Bildergalerie im
ungarischen Nationalmuseum war, kennen;
dieser vortreffliche Mann erkannte gleich
Szamossy das gesunde ursprüngliche Talent
Munkacsy's, nahm ihn in seine väterliche Ob-
hut, stand dem vor Begeisterung glühen-
den Kunstjünger in schweren Zeiten hilfreich
zur Seite und verschaffte ihm vom Kunstverein
eine monatliche Unterstützung von 20 fl. —
Im Jahre 1865 meldet sich Munkacsy in Wien
bei Rahl, der ihn freundlich aufnimmt — und
auch sein einziger Gönner an der Wiener
Akademie war, da die übrigen Herren Pro-
fessoren mit dem „wilden Ungar" gar nicht

Die Kunst für Alle XV. 18. 15. Juni 1900.

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