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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Schultze-Naumburg, Paul: Fernand Khnopff
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0458

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-*>*Ö> FERNAND KHNOPFF <^S=^

bedarf zu dem, was er sagen will, des engen will, kann er ganz wundervolle Porträts
Ausschnitts genau so, wie ein anderer Künstler schaffen, zu dessen liebenswürdigsten unser
ein anderes Mittel der Komposition. Man Kinderporträt (s. S. 447) gehört. Er ist
sollte sich freuen, dass hierdie starke seelische sehr wählerisch mit seinen Modellen und
Wirkung nicht durch blasses Allegorisieren, seine Kunst ist ihm zu gut, um Aufträge zu
sondern auf sinnfälligem Wege erzielt wird. erledigen, die ihm nicht liegen. In der Dar-
Man betrachte nur einmal seine wundervollen Stellung von vornehmen Frauengestalten ge-
Frauenköpfe, von denen er am liebsten nur hört er zu den bedeutendsten Malern Europas,
die Augen und die Lippen zeigen möchte. wenn auch leider die Arbeiten, die das be-
Er weiss es, warum. Wie aus weiten, weiten weisen, nie nach Deutschland gekommen sind,
Fernen blicken sie uns an; einmal gleich- sondern heute für immer im Privatbesitz
gültig kalt, dann wieder wie aus erloschenen ruhen. Was für ein feiner Maler im aus-
toten Sternen. Und dann wieder blickt Sehn- schliessenden Sinn der Worte er übrigens
sucht, namenlose Sehnsucht aus ihnen, die ist, zeigen ganz besonders die zufälligen
Lippen färben sich dunkelrot, schwellen an, wie „Stilleben" (wenn man das Wort recht ver-
um sich heiss an die deinen zu pressen. Nie wird steht), die auf seinen Bildern sind. Wie er
Khnopff müde, von neuem die alte, nie zu ent- eine purpurrote Blüte auf einen graubraunen
rätselnde Sphinxfrage des Weibes zu stellen. Ton zu stimmen weiss, eine weissgrüne
Sie bildet den Inhalt seiner gesamten Kunst. Kalla auf einen dunkelgrünen, das sind

Uebrigens ist Khnopff realen Gestalten Leckerbissen für die Augen,
gegenüber ein feiner Psychologe. Wenn er Ein Kapitel für sich wären seine Landschaften,

von deren stillen Zauber unsere schlich-
ten schwarz-weiss Abbildungen leider so
gut wie keinen Begriff geben können.

Mensch und Künstler decken sich voll-
ständig bei Khnopff. Bis zum äussersten
zurückhaltend, schliesst er sich nur dem
an, der ihm durchaus sympathisch, um
ihm dann seine wertvolle und treue Seele
zu zeigen. Wäre er nicht ein zu gut er-
zogener Mensch und zu höflich, so würde
er es noch deutlicher zeigen, dass sein
grösstes Glück es wäre, unbelästigt zu
bleiben. Trotzdem seine Augen oft mehr
nach innen gerichtet sind, als nach aussen,
bleibt er äusserlich der vollendete Welt-
mann von korrektester Haltung, den man
weit eher für einen Gesandschaftsattache
halten würde als für einen Maler. Wie
überhaupt seine Erscheinung die alte Be-
obachtung bestätigt, dass kein Künstler
aus dem Banne seines körperlichen Seins
hinauskann. Wir finden den Typus seines
eigenen Gesichts und seiner schlanken
Figur im Bau wenigstens auf all seinen
Bildern wieder: seine durchdringenden
metallisch glänzenden Augen, das leicht
vorspringende Kinn, den Mund mit dem
leicht verächtlichen Zuge.

Es wird nicht möglich sein, jemanden,
der der khnopff'schen Kunst von Natur
aus fern steht, für sie zu gewinnen. Es
ist auch nicht nötig. Seine Gemeinde wird
stets eine kleine bleiben, wenn wir die
nicht dazurechnen, die nur die hübschen
Mädchenköpfe auf seinen Bildern sehen.
Und für die sind sie eigentlich zu gut.

FERNAND KHNOPFF ARUM LILY PAUL SCHULTZE-NAUMBURG

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