DOI Artikel:
Lichtwark, Alfred: Deutsche Kunst
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0467
-a-5^> DEUTSCHE KUNST
FERN. KHNOPFF del.
allen Orten, selbst in den Akademiestädten,
haben Künstler gewirkt, die heute gründlicher
vergessen sind, als hätten sie im fünfzehnten
Jahrhundert gearbeitet, und die in Zukunft
neben und vor vielen der bisher als führend
geltenden Künstler ihren Platz einnehmen
werden.
Wo immer in den letzten Jahren die ört-
liche Forschung eingesetzt hat, konnten solche
Künstler nachgewiesen werden, deren be-
sondere Art sie ungeeignet machte, unter den
bestehenden Verhältnissen im Wettkampf zu
siegen. Fast alle diese Kräfte, die von der
Zukunft vielfach als die Träger der deutschen
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts ange-
sehen werden dürften, schufen ausserhalb des
Zusammenhangs mit der öffentlichen Kunst-
pflege. Wenn schon in Paris, wo sich alles
zusammendrängte, die ursprünglichen Geistes
im Gegensatze zu der populären und der
offiziellen Kunst standen, war dies in noch
weit höherem Masse in Deutschland der Fall,
denn zu dem aktiven Moment des kräftigen
Widerstandes und der Bekämpfung kam das
in Paris fast ausgeschlossene und viel wirk-
samere negative des Totschweigens, Ueber-
sehens und Vergessens. In Paris beobachtet
das französische Leben beständig und sehr
genau sich selbst. Der Deutsche ist immer
noch viel zu sehr mit der Kunst und dem
Leben des Auslandes beschäftigt, als dass ihm
nicht in der nächsten Heimat sehr vieles und
oft sehr bedeutendes entgeht.
Es ist noch nicht an der Zeit, die Namen
dieser Vergessenen und Uebersehen zusammen-
zustellen. Wenn erst das weite Gebiet überall
durchforscht ist, wird die deutsche Kunst-
geschichte des neunzehnten Jahrhunderts in
vielen Abschnitten von anderen Menschen
und von anderen Werken handeln als bisher.
Aber sie wird dadurch nicht ärmer. Trotz
der unzähligen hemmenden und ablenkenden
Umstände kann sie, wenn die Leistungen der
ganz Grossen zusammengerechnet werden,
selbstbewusst ihr Haupt neben der französi-
schen und der englischen Kunst erheben.
FERN. KHNOPFF del.
Die Kunst für Alle XV.
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57
FERN. KHNOPFF del.
allen Orten, selbst in den Akademiestädten,
haben Künstler gewirkt, die heute gründlicher
vergessen sind, als hätten sie im fünfzehnten
Jahrhundert gearbeitet, und die in Zukunft
neben und vor vielen der bisher als führend
geltenden Künstler ihren Platz einnehmen
werden.
Wo immer in den letzten Jahren die ört-
liche Forschung eingesetzt hat, konnten solche
Künstler nachgewiesen werden, deren be-
sondere Art sie ungeeignet machte, unter den
bestehenden Verhältnissen im Wettkampf zu
siegen. Fast alle diese Kräfte, die von der
Zukunft vielfach als die Träger der deutschen
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts ange-
sehen werden dürften, schufen ausserhalb des
Zusammenhangs mit der öffentlichen Kunst-
pflege. Wenn schon in Paris, wo sich alles
zusammendrängte, die ursprünglichen Geistes
im Gegensatze zu der populären und der
offiziellen Kunst standen, war dies in noch
weit höherem Masse in Deutschland der Fall,
denn zu dem aktiven Moment des kräftigen
Widerstandes und der Bekämpfung kam das
in Paris fast ausgeschlossene und viel wirk-
samere negative des Totschweigens, Ueber-
sehens und Vergessens. In Paris beobachtet
das französische Leben beständig und sehr
genau sich selbst. Der Deutsche ist immer
noch viel zu sehr mit der Kunst und dem
Leben des Auslandes beschäftigt, als dass ihm
nicht in der nächsten Heimat sehr vieles und
oft sehr bedeutendes entgeht.
Es ist noch nicht an der Zeit, die Namen
dieser Vergessenen und Uebersehen zusammen-
zustellen. Wenn erst das weite Gebiet überall
durchforscht ist, wird die deutsche Kunst-
geschichte des neunzehnten Jahrhunderts in
vielen Abschnitten von anderen Menschen
und von anderen Werken handeln als bisher.
Aber sie wird dadurch nicht ärmer. Trotz
der unzähligen hemmenden und ablenkenden
Umstände kann sie, wenn die Leistungen der
ganz Grossen zusammengerechnet werden,
selbstbewusst ihr Haupt neben der französi-
schen und der englischen Kunst erheben.
FERN. KHNOPFF del.
Die Kunst für Alle XV.
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