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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Kreowski, Ernst: Vom "Blitz des Pinsels", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0530

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-*-5Ö> VOM „BLITZ DES PINSELS" <Ss^~

seine Zeit zu sein brauchen, um dies Zeug
„originell" zu finden und es dutzendweise an
den Mann zu bringen. Dass Salvatore Rosa
in einem Tage ein Pferd in Lebensgrösse,
oder auch ein Staffeleibild vollendete, wird
bei diesem Feuergenie weiter nicht über-
raschen. Dem Engländer Thomas Lawrence
missglückte es selten, in sieben Minuten ein
sehr ähnliches Porträt mit viel Freiheit und
Anmut zu zeichnen ; und sein berühmter
Landsmann Thomas Gainsborough, dem von
früh auf die beneidenswerte Gabe eigen war,
menschliche Physiognomien charakteristisch
zu erfassen, legte davon schon als Knabe eine
erstaunliche Probe ab. Er entdeckte nämlich
im Garten eines Geistlichen, bei dem er aus-
und eingehen durfte, einen Dieb dadurch, dass

HERMANN HAHN ^CHRISTUS
Ausstellung 1900 der Münchener Secession

er diesen rasch auf ein Brett zeichnete und
zwar so frappant, dass man ihn gleich er-
kannte. Auch dem Italiener Andrea Pozzo
musste alles rasch von der Hand gehen. So
malte er einmal kurz vor seiner Abreise nach
Deutschland das Bild eines Kardinals in vier
Stunden. Diese Schnelligkeit ermöglichte es
ihm auch, eine vollständige Theaterdekoration
mit Palästen, Prachtsälen, Kolonnaden etc.
während der Probe eines Stückes fix und
fertig zu stellen. Bewunderungswürdige
Fertigkeit im Zeichnen besass auch der
spanische Maler, Bildhauer und Architekt
Alonso Cano. Sprach ihn auf seinen Spazier-
gängen ein Bettler an und er hatte gerade
kein Geld bei sich, so entwarf er oft an Ort
und Stelle eine Zeichnung, die er jenem
gleichzeitig mit der Adresse schenkte, wo
er sie verkaufen könne.

Nach den vorstehenden Virtuosenstückchen
von Porträtmalern überwiegender Weise sollte
es uns eigentlich nicht mehr überraschen,
solcher auch bei Genre-, Schlachten-, Legen-
den- und Historienmalern, deren Thätigkeit
doch an sich ein besonderes Kompositions-
und Erfindungsvermögen unbedingt erfordert,
zu begegnen. Alle Flüchtigkeit und alle
eigner Erfindung bare Nachahmung beiseite
gesetzt, war es doch jedenfalls beispiellos,
dass Paolo de Matteis eine grosse Kuppel,
wie die in Gesu Nuova in Neapel, die aber
später, dem Einsturz nahe, abgetragen werden
musste, in Sechsundsechzig Tagen malte.
Ihm gab sein Landsmann Antonio Pellegrini
nichts nach, indem derselbe während achtzig
Morgen die ganze Mythologie auf einem nicht
mehr vorhandenen Plafondgemälde in Paris
aufmarschieren Hess. Ueberhaupt war er ein
Schnellmaler wie wenige seiner Zeit, der in
kurzer Frist Tausende von Thalern in seine
Tasche malte. So erhielt er für zwei Plafond-
stücke im Dresdener Bibliothekgebäude —
man denke, vor mehr als einhundertfünfzig
Jahren! — das nette Sümmchen von 29 000
Thalern. . . . Den Tiroler Jos. Ant. Glantschnig,
der um dieselbe Zeit lebte, kostete es aller-
dings stets viel Ueberwindung, bis er den
Pinsel ergriff; dann aber malte er mit er-
staunlicher Blitzbravour. Als Beweis dafür
mag gelten, dass er dem Grafen von Roten-
han, bei welchem er öfters speiste, die auf-
getragenen Tafelgerichte, bevor sie genossen
wurden, in wenigen Minuten täuschend ähn-
lich abmalte. Zum Glanzstück dieser seiner
virtuosen technischen Leistungen, nämlich
den heiligen Märtyrern in den Kreuzgängen
der Dominikanerklöster zu Würzburg und
Bamberg, brauchte er nicht länger als einen

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