Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Bewer, Max: Von der Jahres-Ausstellung im Münchener Glaspalast
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0579

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-^s5> glaspalast münchen

CHRISTLICHE KUNST

Was der Kirche nicht passt, das nennen sie thöricht
Profankunst,

Aber es bleibt doch die Kunst immer ein göttliches
Kind;

Wenn sie in Reinheit nur spiegelt die Schöpfung des

himmlischen Vaters,
Webt im vollendeten Werk auch seines Sohnes Gemüt!

Auf den Katholikentagen pflegt man ein warmes
Wort für die Wiedererweckung der christlichen Kunst zu
sprechen. Bei dem heutigen Verpöbeln in Form und Farbe,
Ton und Wort ist ein Hinweisen der Künstler auf die
vornehmen und seelenvollen Motive der Religion allein
schon von Segen. Aber es wäre ein Unglück, wenn man
junge Künstler dadurch für christliche Objekte gewinnen
wollte, dass man ihnen vorredet, dass alle natürlichen
Gegenstände „profan" und daher minderwertig seien.
Dadurch würde man gerade das Beste in ihnen ersticken,
die Frische ihrer natürlichen Empfindung. Indem man
sie ausschliesslich auf das „Christliche" stilisiert, knickt
man das Göttliche in ihnen. Sie werden unfähig, das
Christliche in seiner höchsten, seiner — natürlichen Schön-
heit zu schildern. Nur daher kam es, dass selbst die
besten „christlichen" Künstler das Herz des Volkes kalt
gelassen haben. Will man eine religiöse Kunst, die in
demselben Grade das Volk ergreift, wie die christliche
Lehre es gethan, so muss man sich gerade davor hüten,

_VDWICvomn
)PETMcVliN

CARL WOLLEK fec.

eine spezifisch „christliche" Kunst zu ver-
langen; man sollte nur immer von der Gött-
lichkeit der Kunst reden ; dann kommt auch
das Christliche in ihr ganz von selbst und
viel reiner und schöner und mächtiger zum
Durchbruch. Christus hat ja niemals sich
selbst, sondern immer nur Gott gelehrt und
gelebt. Ergreift die Kunst den ganzen Gottes-
begriff, so kommt auch Christus zu seinem
Recht; verwirft sie aber „die Natur" als
profan, so gelangt sie, wie in der Overbeck-
periode, nur zu einer christlich zunftgerechten
Kirchenkunst, aber niemals zu einer warm-
religiösen Volkskunst. Einen Sturm auf dem
Meere zu malen, ist nicht „profan", sondern
göttlich; werden die christlichen Künstler aber
von diesem Studium der reinen Natur früh-
zeitig und ausschliesslich auf die Herstellung
„heiliger" Gegenstände abgelenkt, so werden
sie wohl christlich stilisierte Altarbilder malen
lernen, aber niemals einen — Christus selbst,
wie er beruhigend über die erregte Flut des
Meeres schreitet. Christus erscheint und offen-
bart sich aus der Natur Gottes; so kann sich
die ersehnte christliche Kunst auch nur dann
offenbaren, wenn man das Herz des Künstlers
nicht von der Natur als einem „Profanreich"
pietistisch abwendet, sondern ihn vielmehr der
vollen Göttlichkeit der Natur mit der ganzen
Fülle und Wärme seiner Sinne zuwendet. Et
GEORG BUSCH DER VERLORENE SOHN apparebit Christus! Max Bemer

(Gesellschaft für Christ- Aus „Xenien, Sprüche und Gedanken von Einem"

liehe Kunst) (Dresden, Druckerei Glöss, /Vi hj

560
 
Annotationen