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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Wolf, Georg Jacob: Zum fünfzigsten Jahrestag der "Kunst für Alle"!
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0007

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und ernst über die Entstehung der Kunstwerke"
plaudern, über Ausstellungen berichten, Künstler-
biographien bringen, vor allem ..Selbstbekennt-
nisse" der einzelnen Meister.

Die „Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft,
vormals F. Bruckmann in München", die als Ver-
legerin und Herausgeberin gleichzeitig zeichnete
(später signiert Friedrich Pecht, der als Hauptmit-
arbeiter vom ersten Heft an in Erscheinung trat,
als Herausgeber), bestand damals schon seit beinahe
dreißig Jahren. Ihre weitreichenden Beziehungen
zur deutschen Künstlerschaft waren der jungen
Zeitschrift ebenso nützlich und förderlich wie die
Tatsache, daß die notwendigen ..reproduktions-
technischen Prozeduren" in den eigenen Werkstät-
ten ausgeführt werden konnten.
Die Hoffnung auf das Aufblühen des jungen Un-
ternehmens hatte nicht getrogen. Gerade der Um-
stand, daß man nicht ..sensationell" begann, daß
man ruhig aufbaute, vom zeitlich, örtlich, gefühls-
mäßig und künstlerisch Naheliegenden ausging
und sich Zeit ließ, bis man ausgriff auf die auslän-
dische Kunst, daß also, ohne äußerlich lehrhaft zu
wirken, sozusagen ein Kunstkursus in konzentri-
schen Kreisen gegeben wurde, bestimmte den Er-
folg. Die Zeitschrift, die halbmonatlich erschien
und nicht eben umfangreich war, wuchs äußerlich
und innerlich. Es schien, daß gewisse Kunstenthu-
siasten geradezu auf eine Zeitschrift dieser Art ge-
wartet hatten: sie erfüllte ein Bedürfnis. Eine
Lücke im deutschen Kunstleben war geschlossen,
ein Mittelpunkt im beginnenden Kampf und Auf-
stieg der deutschen Kunst war geschaffen. Bald
konnte der Verlag mitteilen, daß die Abonnenten-
zahl das zehnte Tausend überschritten habe; dies
besagte, daß sie von etwa Hunderttausend gelesen
wurde: damit war sie eine Macht im deutschen
Kunstleben geworden.

Es ist nicht ohne Interesse, für die Geschichte des
Kunstgeschmacks und der Kunstwertung, festzu-
stellen, welche Künstler zuerst reproduziert wur-
den. Es waren Defregger, Grützner, Marr, Mathias
Schmid, Brütt, Wilhelm Diez, daneben aber auch
schon Fritz von LThde, dem von Anbeginn des Er-
scheinens der Zeitschrift ein breiter Raum gegeben
wurde. Von älteren Künstlern gilt Gabriel Max,
Ludwig Richter, Canon manches Blatt; außerdem
treten F. A. Kaulbach, Erdtelt, Lenbach, Linden-
schmit hervor. Besonders „revolutionär" wirkt
diese Xamensreihe nicht, aber sie zeugt von Gedie-
genheit und ist doch wohl ein Programm; ein Pro-
gramm, wie es der Kunstrichtung Friedrich Pechts
entspricht. Auch Künstler schreiben. So Linden-
schmit, der seine ..Gedanken über die Reform der
deutschen Kunstschulen" ausbreitet, Arthur Fiet-
ger, flausnoier u. a. Berichte über die Künstler-
feste, über die ..Allotria" finden sich vor, und all-
mählich wird der biographische Teil reicher, wach-
sen die Artikel, in denen die einzelnen Künstler-
persönlichkeiten, die im Vordergrund der Teil-
nahme der Kunstfreunde stehen, charakterisiert
sind. Dies hebt mit einer eingehenden Analyse der

Person und des Schaffens Adolf Menzels an, es fol-
gen Karl Spitzweg, Uhde, Lenbach, Wilhelm Busch,
Piglhein, Hubert von Herkomer, Wilhelm von
Diez, Adolf Flildebrand, endlich Wilhelm Leibi und
Arnold Böcklin, den Cornelius Gurlitt würdigt.
Dazwischen wird, da auch Architektur und Kunst-
gewerbe zum Aufgabenbereich der ..Kunst für
Alle" gehören, mancher bedeutsame Neubau, wie
Hasenauers Hofburgtheater in Wien, oder eine
kunstgewerbliche Ausstellung, etwa die „Deutsch-
nationale Kunstgewerbe-Ausstellung in München
1888", ausführlich gewürdigt.
Das „Erwachen" der deutschen Kunst, das sich in
der Betonung des Rein-Malerischen an Stelle des
Anekdotischen auch für den weniger geschärften
Blick der Kunstfreunde bemerkbar machte, führte
zur Gründung der „Münchner Secession", die 1895
mit ihrer ersten Ausstellung hervortrat. Pecht steht
dem neuen Wesen nicht ablehnend, aber abwartend
gegenüber. Er unterläßt es, selbst über die Ausstel-
lung zu schreiben, aber er beauftragt einen Künstler
dieses Kreises. Benno Becker, darüber zu berichten.
Dagegen steht er den meisten der Sezessionskünst-
ler wohlwollend gegenüber. So erscheinen in der
..Kunst für Alle" neben Uhdes Bildern YVerke von
Samberger, Stuck, Habermann, Keller, Herterich,
Dürr, Zügel, Becker-Gundahl — und bald halten
diese Künstler, die heute ja alle schon „Klassiker"
geworden sind, ihren definitiven Einzug in der
„Kunst für Alle". Dort tritt inzwischen auch eine
neue Autorengeneration auf. Helferich begegnet
uns oft, dann eine Zeit hindurch Karl Voll, der hier
manches schneidige Wort wagt und für Slevogt die
erste Lanze bricht, Habich, Tschudi, Wölfflin.
Schubring, Ostini, Rosenhagen, Clemen u. a.
Organisatorisch hatte sich durch die Abtrennung
der Artikel über angewandte und architektonische
Kunst, die in einer neuen, seit dem Jahr 1897 im
Verlag Bruckmann erscheinenden Zeitschrift „De-
korative Kunst" zusammengefaßt wurden, und
durch die Eingliederung einer Teilauflage in die
das ganze Kunstschaffen Europas erfassende Mo-
natsschrift „Die Kunst" manches geändert. Unver-
ändert aber war das halbe Jahrhundert hindurch das
Bestreben der Zeitschrift geblieben,..Spiegel und abge-
kürzte Chronik" der Kunst ihrer Zeit und. in erster
Linie, derKunst ihres Volkeszu sein. Dabeiwar es stets
Ehrensache für sie, nicht nur zu nehmen, sondern
auch zu geben, anzuregen, aufzuweisen,was in aller
Welt künstlerisch geschah, und durch solche Vor-
bilder nicht zur Nachahmung, aber zur Leistung
anzuspornen.

Wer die bisher vorliegenden 49 Jahrgänge der
..Kunst für Alle", die unerläßliche, reiche Ergän-
zung jeder, auch der besten zeitgenössischen Kunst-
geschichte, durchblättert, wird mit begeistertem
Dank feststellen, daß hier etwas Einzigartiges ge-
leistet wurde, das durch sein Bestehen selbst eine
ungewöhnliche Förderung der Kunst bedeutet: es
ist ein Ehrenmal deutscher Arbeit, deutschen Gei-
stes, deutschen Verlegertums und deutscher Kunst-
wissenschaft. Georg Jacob Wolf
 
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