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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Christoffel, Ulrich: Ton und Licht in der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0098

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Julius Diez. Die apokalyptischen Reiter

Ton und Licht in der Malerei. Von Dr. Ulrich christoffei

Das Malerische beruht auf der unbestimmbaren
Veränderlichkeit der Farben. Es gibt kein einfaches
Rot oder Blau. Braun oder Grün, sondern nur ein
Blau des Himmels, des Meeres oder der Blumen,
ein Rot des Feuers, der Abendwolken und des Blu-
tes, ein Gelb der Sonne oder des Korns, ein Grün
der Oliven, der Fichten oder der Gräser und ein
Braun des Holzes, des Herbstes oder der Moore.
Von der Steigerung oder Schwächung der Farb-
töne und ihrer Strahlung und Brechung hängt in der
Natur und in der Malerei die Wärme und Lebhaf-
tigkeit der Erscheinungen ab. Je inniger und tiefer
die Farben leuchten, desto klarer werden die
Dinge erkannt, denen sie zugehören. In der physi-
kalischen AVeit wird der Wechsel der Farben durch

den Kreislauf der Sonne und der Sterne und durch
Trockenheit oder Nässe hervorgerufen, in der Ma-
lerei aber durch die seelische Natur des Künstlers,
der die Farben aus ihrer materiellen Abhängigkeit
heraushebt. Die malerische YVandelbarkeit und Be-
wegung der Töne verläuft sich ins Lnendliche und
sammelt sich wieder in einem Grundton, der sich
gleichmäßig im Bilde ausbreitet. Der Doppelklang
Rot und Blau gehört seit dem Mittelalter zu je-
dem Marienbild, aber jede Epoche, jede Schule und
jeder Meister wiederholt ihn in einer anderen
Tonart, und die beiden Farben erscheinen bald
weich, voll, schmelzend, bald verschlossen, dunkel
oder heiter und seidig. Der Ton ist die künst-
lerische Kraft, die die Farben beseelt, ihre Dich-

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