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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Witthaus, Wernher: Carl Mense
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Christoffel, Ulrich: Die Aufgabe des Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0015

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Malereien sind nicht ..hingellauen"", sie haben Zeit.
Sie haben sogar ihre Zeit. Dergleichen findet sich
natürlich nur. wenn ein Künstler erst einmal die
Landschaft begreift und in sich birgt, bevor er es
wagt, sie zu malen.

Das Zeitliche ist in Menses Kunst dem Zeitlosen
nahe : ein Zeichen echter Schöpfung. Dieses weite
Ausholen und Verharren in der Anschauung des
Raums ist bedeutend für unsre sonst sehr eilfertige
Zeit. Es weist auf Ewigkeitswerte hin und verträgt
sich gleichwohl mit dem allgemeinen und alltäglichen
Einsatz unsers Säkulums — eben für den Raum und
für die Landschaft, von der jetzt viel die Rede ist. Es
beruhigt dabei ungemein! Die Romantik in Menses
Bildern verleugnet nicht die Tradition, und sie hat
auch ihre südliche Wahlverwandtschaft. Aber es ist
doch ein ganz andres Wesen als die Romantik vor
mehr als hundert Jahren. Mense selbst erklärt sich
kurz und bündig: Er wolle lediglich eine anständige
problemlose Malerei. Wenn etwas an dieser Malerei
unzeitgemäß ist, so dürfte es in der Tat der erfreu-
liche Mangel an jedweder Sensation sein.
Die Tafeln und Zeichnungen, welche liier abgebildet
sind, sprechen für sich. Die Zeichnungen sind
minutiös, und man möchte schon daran denken, sie
stechen zu lassen. MS elcher Rückfall ? Nein, es ist
der Beweis, daß das Handwerk noch etwas gilt und
daß die Photographie es schließlich doch nicht über-
wunden hat. Mense. das deuteten wir schon an,
bemüht sich um Genauigkeit. Die Zeichnung von

der südlichen Küste etwa mit dem Xachen vorn, der
den Fischer mit dem Dreizack trägt; wie ist das doch
der Natur getreu und dennoch glücklich übersetzt
in ein Zeitloses, wie ist es entrückt! — Die Malereien
sind sehr farbig. Das Meer wird zum Opal. Es gibt
prachtvolle Tiefen in den Landschaften. Vollends
romantisch sind die kleinen figürlichen Gruppen, die
hier und da auftauchen. Auf die Einfachheit der
Bildauffassung bereiteten die Malereien bereits vor,
die der Meister vor der italienischen Reise in Deutsch-
land schuf. Wir denken z. B. an die nächtliche
Winterlandschaft aus dem Riesengebirge, die satten
Sommerfelder aus dem Siebengebirge, die fromme
Eifellandschaft und einige Stilleben.
Menses Stilleben sind nicht selbstherrlich, sondern
in den Raum gestellt. Wie ein Bild im Bild öffnet
sich gern der Hintergrund mit entzückenden Per-
spektiven. Man schaut dort, zärtlich eingeordnet,
eine biblische Szene oder ein Mädchen, das zum
Fenster hinaussieht, oder ein andres, das einen Krug
auf der Schulter trägt. Die Farbe ist geschickt aus-
gewertet. Solch ein Stilleben kann fast grau in grau
gemalt sein. Da schwingt das Gelb einer Traube, da
schwingt ein Rot klangreich ein. Ausgezeichnet auch
das Bildnis der schönen italienischen Dame, mit
einem festlichen Aufwand, einem ruhigen Gegensatz
von Rot und Blau.

Die Deutsche Akademie in Rom stellte kürzlich aus.
Professor Carl Mense fand lebhafte Anerkennung.
Übrigens besitzt Mussolini eine Zeichnung von ihm.

Die Aufgabe des Malers. Von Ulrich Christoffei

In den letzten dreißig Jahren wurde bis zum Über-
druß die halbe Wahrheit wiederholt, in der Malerei
komme es nur auf die Form und nicht auf den In-
halt an, ein Bild brauche nicht bildmäßig bedeut-
sam, es müsse nur als Eindruck wirkungsvoll sein.
Durch eine geistreiche Art des Malens, eine dekora-
tive Handschrift, ein persönliches Sehen, die flüs-
sige Verteilung von Lichtern und Schatten, könne
eine Skizze interessanter erscheinen als ein ausge-
führtes Bild und selbst bei Menzel sei eine Gelegen-
heitsstudie eines Interieurs künstlerisch wertvoller
als das Flötenkonzert. Man wollte nur die unent-
wickelten Werke der ..jungen"' Meister bewundern
und beachten. Die Malerei wurde dabei immer bild-
ärmer und bildfeindlicher, bis zuletzt auf der be-
malten Fläche nur mehr Punkte, Flecken, geometri-
sche Linien oder kindliche Kritzeleien übrigblieben,
ähnlich wie die Bildhauer statt der geformten Ge-
stalt nur mehr verstümmelte Torsen oder gar nur
mehr Metallgerüste als „Kunstwerke" ausstellten.
Zuletzt wurde gar behauptet, die Zeit der Malerei
wäre abgelauf en und es wäre müßiger Zeitvertreib,
heute noch mit Farben und Pinseln zu hantieren.

Man vergaß, daß das malerische Empfinden die Ur-
zelle aller künstlerischen Betätigung bildet, und daß
es eine große Architektur immer nur in malerischen
Epochen gegeben hat. Phantasie und Gemüt, aus
denen nach Cornelius auch die leichtesten und be-
scheidensten Dinge in der Malerei hervorgehen müs-
sen, wurden im jungen Künstler gelähmt und ein-
seitig die Intelligenz des Technischen ausgebildet.
In dem Maße, als die Kunst sich vom Leben und der
Natur ablöste und der Aufgabe der schöpferischen
Bildgestaltung auswich, verloren die Kunstausstel-
lungen ihre Anziehungskraft nicht nur auf die Mas-
sen, sondern gerade auch auf die ausgebildeten Ken-
ner. Der Mensch sucht aber heute mehr denn je in
der Kunst das Gewicht der geistigen Werte statt der
Langeweile einer oberflächlichen Unterhaltung.
Man muß sich vergegenwärtigen, welche enormen
Anforderungen an eine schöpferische, gestaltende
Bildgebung im goldenen Zeitalter Ludwigs I. an die
Künstler gestellt wurden und welche Fälligkeiten
an Zeichnung, Farbenausdruck, Komposition die
Erfindung oder nur Mitarbeit an den Fresken der
Glvptothek und der Residenz zur Voraussetzung

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