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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Ladendorf, Heinz: Das Vorzimmer des jungen Königs: neuentdeckte Wandbilder im Stile Pesnes
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0024

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Das Vorzimmer des jungen Königs

Neuentdeckte Wandbilder im Stile Pesnes (s. hierzu die nebenstehende Abbildung)
Von Heinz Ladendorf

Hinter braunen Täfelungen aus dem Ende des
18. Jahrhunderts schliefen sie verborgen, lange
Zeit, fast 150 Jahre. Bei denkmalspflegerischen Ar-
beiten, die von der Verwaltung der Staatlichen
Schlösser und Gärten unter der Leitung von Dr. H.
Hildebrand durchgeführt wurden, kamen sie zum
Vorschein. Wie Sargdeckel hob man die Bretter der
Täfelung Stück für Stück ab und entdeckte eine
heitere, bunte Welt, die frohgemut dem Grabe der
Vergessenheit entstieg und den Baum mit Leben
füllte.

Gleich nach der Thronbesteigung Friedrichs d. Gr..
1740, wurde dem Charlottenburger Schloß unter
der Leitung Knobeisdorffs ein Flügel angefügt,
glänzendstes Zeugnis der ersten jungen Tage dieses
Königtums, festliche Einleitung einer großen Zeit.
Steigt man die Treppe des Neuen Flügels hinauf,
so kommt man linker Hand zu den Gesellschafts-
räumen mit der Goldenen Galerie, dem schönsten
Festsaal des friderizianischen Bokoko, der nun ver-
lassen liegt; die Geigen sind verstummt, die Kerzen
verloschen, das Leben ist entflohen. Linker Hand
von der Treppe lagen die privaten Gemächer des
jungen Königs. Das Vorzimmer enthält die neuent-
deckten Wandgemälde. Hier füllt sich der Baum mit
Leben und Handlung.

Ein festlich heiteres Spiel, ein kleines ,,divertissan-
tes Festin", — ohne Zuschauer, denn der Betrach-
ter wird ja mit aufgenommen in den Kreis der Ge-
stalten, als ein Teilnehmer des Gartenfestes. Der
Herr im roten Domino wird das Geplauder mit den
Damen gleich unterbrechen und. sich umdrehend,
ihm entgegengehen, um ihn zu begrüßen: dann
mag er winken, daß auch ihm der Läufer eine Er-
frischung bringe, der eben innehält und sich nach
der Schönen umsieht, die hinter dem Paar des Lau-
tenspielers und der Sängerin versteckt, verlangend
den Arm hebt.

Die Anekdote möchte sich gern dieser Gestalten be-
mächtigen und ihnen Namen geben, aber es gelingt
nicht recht. Man muß sich damit begnügen, in diese
Welt aufgenommen zu sein, der Dame in dem spa-
nischen Kostüm auf dem Sofa, der Tänzerin mit
dem Fächer in dem schönen Blumenrankenkleide
seine Beverenz zu machen, als ob auch sie noch die
Maske trügen, die das Gesicht des Kavaliers ver-
deckt, der hinter dem Sofa steht und sich herüber-
beugt.

Eine Treppe führt in den Garten; so weit man eben
bis zu den Zimmern heraufgestiegen, scheint man
nun wieder hinuntergehen zu sollen, um zwischen

den hohen Hecken, den blaßgrün und silbrig glän-
zenden Bäumen und den Statuen des Charlottenbur-
ger Parkes zu spazieren.

Ebenso wie in ihrer Lage zum Park ist in sich selbst
diese Scheinwelt in ihrer Wirkung auf den Eintre-
tenden wohl überlegt, die Figuren, die vorn seinen
Blick zuerst fesseln, sind etwas größer als die zu-
nächst ferneren der gegenüberliegenden Ecke des
Raumes.

Viel mehr aber als ein hebenswürdiges Kuriosum
bedeuten diese Wandbilder, die, in ihrer Art ein-
zig, die Kunst Pesnes von einer neuen und bedeu-
tenden Seite zeigen. Auch auf den Baumeister Kno-
belsdorff fällt ein neues Licht. Von Mantegna bis
zu Pozzo, seit den Tagen des guten Königs Rene
bis zu zeitgenössischen französischen Rokokodeko-
rationen gibt es vergleichbare illusionistische Male-
reien; den Charlottenburger Bildern verwandte
Werke führte Daniel Marot aus, die dem Baumei-
ster Friedrichs auch vor seiner holländischen Beise,
die er gerade damals unternommen hat, aus Stichen
bekannt sein konnten. Endlich birgt ja sogar heute
noch das Berliner Schloß, etwa in der Decke des
Schweizersaales, von dessen Wölbung Figuren über
eine Balustrade herabgrüßen. Ähnliches aus der
Epoche des großen Künstlers Andreas Schlüter, der
dem Bokoko vorhergehenden Glanzzeit preußischer
Architektur.

Die Möglichkeiten aller dieser Vorstufen sind hier
zu Ende gedacht, statt einer Wanddekoration eine
die Grenzen zwischen Drinnen und Draußen ver-
spottende Scheinwelt, ein in übermütiges Rokoko
verwandelter Gedanke barocker illusionistischer
Malerei. Stellvertretung der Architektur, und eben
deshalb in der Idee sehr wahrscheinlich dem Archi-
tekten gehörig, in der Gestaltung aber dem Hof-
maler Pesne, wie die Gemälde dieses Künstlers be-
weisen.

Für das Charlottenburger Vorzimmer dürfen also
Knobeisdorff undPesne genannt wrerden, dieNamen
der beiden bedeutendsten preußischen Künstler der
Zeit. Dabei ist zu verschmerzen, daß wir über die
ausführenden Kräfte und über teilweise Änderung
des ursprünglichen Planes nichts Sicheres wissen.
Die Entdeckung bedeutet aber mehr noch als eine
Bereicherung der Krmstgeschichte allein. Der Raum
ist auch wertvoll als ein lebendiges Stück friderizia-
nischer Geschichte, er ist das Vorzimmer einer gro-
ßen Zeit, die heiter und strahlend jung begann, und
sich mit harter Mühe und schweren Pflichten fül-
len sollte: das Zeitalter Friedrichs des Großen.

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