Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur (50.1934-1935)

Hans Weidemann. Fischerhafen Neuharlingersiel

Bodenständig und naturhaft

Zu den Bildern von Hans Weidemann. Von Fritz Hellwag

Es wäre ein großes Geschenk, das die deutschen
Maler, die nach dem Schlüssel der Zukunft suchen,
der künstlerisch unsicher gewordenen Gegenwart
darbringen könnten, wenn es ihnen gelänge, den
Begriff des ..Bodenständigen, Xaturhaften" aus der
Sphäre des Schlagwortes zu lösen und ihn auf neue
Art zu durchgeistigen. Das Wort ist mit starkem
Pathos geformt und in die "Wunschwelt geschleudert
worden, so daß man es bedauern müßte, wenn seine
Kraft allein im Sozialen sich erschöpfte und nicht
auch in der Kunst eine Richtung nähme. Wenn das
Wort aber hier zu einem Begriff erhoben werden
soll, so wäre an etwas anderes zu denken, als an die
..Landschaftsmalerei" von ehedem. Viele werden
auch jetzt vor die Landschaft treten und versuchen,
persönliche Eindrücke festzuhalten, aber als Xatur

im Sinne des Ewigen wird sie sich nur den Großen
offenbaren und von ihnen sich bezwingen lassen.
Pathos ist in der Kunst etwas recht Gefährliches.
Sehr viele Historienbilder, die zu ihrer Zeit Auf-
sehen erregten, haben heute nur noch Gegenstands-
wert; ihre falschen Töne, mit denen sie einst die
Forderungen der Kunst überlärmten, sind verklun-
gen und unwirksam geworden. Auch in der „Land-
schaftsmalerei"' hat die Nachwelt scharf gesiebt:
man erinnert sich z. B. der Prellerschen Bilder, die
zwar noch ihre illustrative Bedeutung behalten
haben, und vieler anderer. W er aber die Kunst liebt
und versteht, sehnt sich nach Ewigkeitswert und
verabscheut den sensationellen Effekt. Mit den Be-
griffen ,.bodenständig und naturhaft" verträgt sich
auch nicht eine sentimentalische Auffassungsweise.