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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Christoffels, Ulrich: Münchner Kunst: zur Sonderausstellung in der Neuen Pinakothek
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Hellwag, Fritz: Max Liebermann: am 8. Februar 1935
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0199

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sehen Gartens gezeichnet hat, kommt eine tiefe
Naturvertrautheit zum Ausdruck und ein künst-
lerisch formales Abstandsgefühl, das die Tiere in
ihrer Welt ruhen läßt und sie nicht zu den Men-
schen herausreißt. Die Bronzefiguren des Zebu und
der Antilope sind daher in der Geschlossenheit
ihrer Natur und in der stillen Linie der Körper
lebendiger empfunden als die menschennahen

Pferde. Die Tiere bleiben ein Geheimnis auch in
der plastischen Form. Diese formale Einfühlung in
das innerliche Xatursein des Lebens hat in der
Statuette des Blinden mit dem Hund einen selte-
nen Grad erreicht. Diese Xaturgewißheit in der
Kunst wachzuhalten, liegt in Münchens Berufung,
bis die Kraft entspringt, die die Natur in Geist ver-
wandelt. Ulrich Christoffel

Max Liebermann, f a™ 8. Februar 1935

Liebermanns Tod wurde mit den Worten angezeigt,
ein ..Leben von Leidenschaft und Verpflichtung
habe geendet. Das Wesen des Verstorbenen ist damit
gut umrissen, denn alle, die ihn gekannt haben, wis-
sen um seine kämpferische Leidenschaft, die letzten
Endes aber immer nur der Kunst gegolten hat. der
er sich aufs tiefste verpflichtet fühlte: oft hat er
es ausgesprochen: „Kunst ist Moral, höchste Moral,
eben Ausdruck eines ehrlichen, für keine Nebendin-
ge interessierten Charakters."

Gleich zu Anfang seiner künstlerischen Laufbahn
wurde Max Liebermann zwischen die beiden Pole
„Verpflichtung und Leidenschaft" gespannt, und es
ist wichtig, zu wissen, daß er vom Pol der Verpflich-
tung zeitlich zuerst angezogen wurde, als er sich,
von seinem Lehrer Steffeck angeleitet, mit tiefem
Ernst an Adolf Menzels willenstarker Art zeichne-
risch bildete: wenn ihn später der Pol der Leiden-
schaft, anfänglich durch Courbets Kunst symbolisiert,
überstark festzuhalten, wenn ihn in seiner langen
Schaffenszeit die Farbenlust zu überwältigen drohte,
dann ist er immer wieder zum Zeichnen zurückge-
kehrt, um mit heißem Bemühen die volle Herrschaft
über die verpflichtende Form zurückzugewinnen.
Fast möchte man sagen, daß der charaktervolle
Zeichner in ihm noch stärker gewesen sei als der
augenfrohe Maler. Lnter ähnlicher Polarität hat
auch Daumier gestanden, und es ist nicht ohne Be-
deutung, daß Liebermann, wie er mir einmal schrieb,
jenen für den größten Künstler des vorigen Jahr-
hunderts gehalten hat, einen Zeichner-Maler also,
der täglich in Entsagung sich selbst bezwingen
mußte.

Liebermann hat sich nicht gleich der malerischen
Leidenschaft hingegeben, etwa in dem Sinne, daß er
sich dem schon damals in Frankreich erwachten
Impressionismus in die Arme geworfen hätte: diesen
hat er sich auf ganz persönliche Art erworben und
nicht, wie es spätere Generationen taten, fertig über-
nommen. Sein erstes Bild, das noch auf der Kunst-
schule in Weimar entstand, die „Gänserupferinnen",
zeigt noch den Einfluß der Schwarzmalerei Courbets
und ist auch noch nicht ganz frei in der Form: im-
merhin erkennt man hier schon jene soziale Tendenz,
die ihn jahrelang beherrschte und das Problem.
Menschen in arbeitender Tätigkeit darzustellen, frei
von politischer Beimischung mit großem Ernst er-
faßte und ganz sachlich in die Umgebung des Alltags
setzte. Schon hier, in der so geforderten Raumgestal-

tung, zwang sich Liebermann zur ersten Auseinan-
dersetzung mit der körperhaften Erscheinung im
Lichte, und Rembrandts großer Einfluß wurde
wirksam. Vier Jahre später, im Glaspalast 1885.
zeigte sich schon ein großer Fortschritt auf diesem
Wege, in den ..Schuhflickern" und in der „Seilerbahn"'.
Die dritte Etappe wird bezeichnet durch den „Mann
in den Dünen'" und der „Frau mit der Ziege", in
denen man, wenn man will, den Einfluß des monu-
mentalisierenden Millet, mehr aber wohl den Dau-
miers erkennen kann. Die Tonigkeit der früheren
Bilder ist zugunsten reiner Farbwerte und ihrer
Gleichzeitigkeit verlassen: wie Lovis Corinth berich-
tet, bat Lieberrnann den Leuten, die sich darüber
wunderten, geantwortet: „Daß ich das ,Altmeister-
liche" kann, habe ich gezeigt."" Von nun an ist es
nur das Licht, das ihm Gegenständliches bildet: wie
es z. B. am holländischen Meeresstrand, seinem ge-
liebten Studienplatz, alle Materie beherrscht, wurde
sein großes Erlebnis, dem wir die große Reihe der in
allen Aluseen der Welt verstreuten Meisterwerke ver-
danken. Nun erst war der Künstler zum wahren Im-
pressionisten geworden; seine Vitalität wuchs zu
außerordentlichen Ausmaßen und beflügelte Auge
und Hand nun auch zum Wettkampf mit der Schnel-
ligkeit des Lichtes, wobei er oft ans Virtuose gestreift
hat und sich immer 'wieder, in Rückkehr zur zeichne-
rischen Form, zu bändigen suchen mußte. End der
Zeichner Liebermann, der sich ..Verpflichtende", hat
wahrlich immer wieder triumphiert! Die Selbstzucht,
die er in seinen vielen Ansprachen und Aufsätzen
ohne Lnterlaß predigte, hat er selbst in seinem
Werk bewiesen. Am liebsten hat er gelegentlich,
das ist bemerkensw-ert, Männer porträtiert, die ihm
regen Geistes darin ähnlich waren, und die so ent-
standenen Bildnisse sind Denkmäler solcher geistiger
Veranlagung geworden.

Max Liebermann war, sein Ziel fest im Auge haltend,
ein leidenschaftlicher Kämpfer für seine Überzeu-
gung und hat mit vielen Gegnern eine scharfe
Klinge gekreuzt. Aber auch viel Anerkennung ist ihm
geworden: er war Ehrendoktor der Universität Ber-
lin. Ehrenbürger der Stadt Berlin w ie Menzel und
trug, wie dieser, den Orden Pour le merite. aber am
höchsten hat die Ehrung durch seine Berufsgenos-
sen gewogen, die ihn zum Präsidenten der Preu-
ßischen Akademie erwählten und diese Wahl, wie
es vordem noch nie geschehen war. noch neun Jahre
nacheinander bestätigten. Fritz Helhvag

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