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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Reichel, Anton: Rudolf Wacker, der Maler des Bodensees
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0030

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Rudolf Wacker. Kleiner Hafen

Rudolf Wacker, der Maler des Bodensees. Von Dr. Anton Reichel

Wacker ist ein Sohn der Österreichischen Alpen. Er
wurde in Bregenz (1895) geboren und begab sich
nach Vollendung seiner Gymnasialstudien zu seiner
künstlerischen Ausbildung nach Wien und dann zu
Egger-Lienz nach Weimar. Große Bildniszeichnun-
gen, die in den Jahren vor dem großen Kriege ent-
standen, fallen durch ihre schlichte Sachlichkeit auf,
erinnern an die Kunst der Xazarener und bedeuten
eine deutliche Absage an das Virtuosentum des aus-
gehenden Impressionismus. Seine mit spitzem Blei
der Form nachtastenden Studien haben mit diesem
nichts mehr zu tun. Wacker, der die glückliche Gabe
besitzt, sich selbst über die zartesten Regungen seines
Seelenlebens Rechenschaft zu geben, schrieb damals
in einer seiner besinnlichen Seelenbeichten, die seine
Briefe sind, daß es ihm damals auf psychologische
Differenzierung und subtile Oberflächendarstellung
ankam und daß die Mittel dazu rein zeichnerisch
sein sollten. So beschritt er sicher seinen Weg und
weder die Wiener Schule noch Egger-Lienz ver-
mochten ihn entscheidend zu beeinflussen.
Da wurde er durch den Krieg aus seiner Bahn ge-

rissen. Schon im Oktober 1915 geriet er in russische
Gefangenschaft, aus der er erst im Winter 1921 zu-
rückkehrte. Die Leiden und Erschütterungen dieser
fünf Jahre ließen den Künstler immer deutlicher
erkennen, wie sehr alle Wirklichkeiten der Welt —
seine eigene Körperlichkeit inbegriffen — Produkte
des Zufalls, ein Nichts sind. In der Baracke, in der
er mit zweihundert Leuten zusammengepfercht exi-
stieren mußte, war das Zeichnen verboten. Da griff
er nachts, wenn alles schlief, zum Zeichenstift und
schuf — Selbstbildnisse. Aber nicht Selbstbildnisse
nach dem Spiegel, sondern Bildnisse, in denen r.r
den Ausdruck des Leides in die zufällige Form sei-
nes eigenen Gesichtes bannte. Das seelische Erleb-
nis war ihm alles, die zufällige Form der Erschei-
nung nichts. — Als er endlich wieder deutschen
Boden betrat — er fand geistigen Anschluß au
Erich Heckel und seinen Kreis —, sali er mit Stau-
nen, daß all das, Avas ihm in der Einsamkeit seiner
russischen Jahre zum künstlerischen Erlebnis ge-
worden war, in Deutschland bereits eine kräftige
Bewegung darstellte: den Expressionismus. „Jeden-

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