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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Reichel, Anton: Rudolf Wacker, der Maler des Bodensees
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0031

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falls habe ich nach meiner Rückkehr" — so schrieb
er damals — .,im Expressionismus die in der sibiri-
schen Einsamkeit für mich gewonnenen Erkennt-
nisse und entdeckten Ziele bestätigt und realisiert
gefunden. Und das ist eines jener Exempel, das den
Ungläubigen zur Bedenklichkeit anregen könnte.
Im Prinzipiellen stimmte alles überein. Es war für
mich eine große Freude zu sehen, daß ich nicht in
Sibirien mich verrannt hatte, und für andere zu
hören, daß ich — von fernher kommend — alles
neu und zum erstenmal sehend, sogleich verstehen
konnte ..."

Vom Jahre 1924 an kann man aber im Schaffen
Wackers wieder deutlich einen Wandel feststellen.
Auf einer Studienreise des Künstlers durch Rumä-
nien gewinnt der ihm ursprünglich eigene Drang
nach Objektivität der Darstellung langsam aber
stetig an Boden. Das Gegenständliche, das Wacker
unter dem ungeheuren russischen Erlebnisse ganz
dem geistigen Inhalt geopfert hatte, findet immer
mehr liebevolle Pflege. Auch rein äußerlich macht
sich die Richtungsänderung bemerkbar. So wie die
Expressionisten ihre stärksten Wirkungen in der
Graphik erzielten, so gab Wacker in seiner expres-
sionistischen Epoche sein Bestes in den Zeichnun-
gen. Im Gegensatz dazu gewinnt nun wieder die

Malerei die Oberhand. Die Bilder, die da entstan-
den, zeigen zwar noch die Formensprache der ver-
gangenen Jahre, aber ein neuer Inhalt kündigt sich
mächtig an.

Seit dem Winter 1924/25 lebt Wacker wieder in
seiner Heimat und hier bildet sich ein Stil aus, der
fast wie eine Art Beaktion auf den wilden Gefühls-
überschwang der Nachkriegsjahre anmutet. Der
Künstler schildert die Naturobjekte nun ganz aus
der Nähe gesehen: Uferlandschaften des Bodensees,
enge Gäßchen und winklige Höfe entzünden seine
malerische Phantasie. Aber auch die fast roman-
tische Freude an der Darstellung von Belanglosig-
keiten — Puppen, Kinderzeichnungen und allerlei
Kleinkram —, die er zu merkwürdig klar gesehenen
Stilleben aufbaut, gewinnt immer breiteren Raum
in seinem Schaffen. Diese neueste Wendung knüpft
unmittelbar an die durch den Krieg jäh unterbro-
chene Schaffensweise der Vorkriegszeit an. Aber
selbst in den fast glasig-klaren Stilleben der letzten
Jahre wirkt das seelische Erlebnis der Kriegsjahre
nach: Es möchte uns scheinen, als wenn der überaus
empfindsame Künstler das glühende Feuer seiner
Seele hinter einer Art von Hülle verberge, aber
seine Freude an Masken und Puppen mag den Wis-
senden verraten, w7as in seiner Seele vorgeht.

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Rudolf Wacker. Bodenseelandschaft

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