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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Nemitz, Fritz: Milly Steger
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Schicksal
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0021

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lösten, zum Transzendenten neigenden
nordischen Menschen. Die Augen
blicken nicht den Betrachter an. sehen
auch nicht an ihm vorbei ins Weite.
Die Lider sind meist gesenkt und die
Augen blicken gleichsam in sich hinein,
wissen nichts von dem, was draußen
vorgeht und nichts von dem. was nach
ihnen kommt. In sich verloren und
von sich erfüllt, voller Angst vor
dem Leben und zugleich voller Sehn-
sucht danach ist diese ..Kauernde";
eigenwillige, fast pretiöse Herbheit
spricht aus der nebenstehend gezeigten
„Mädchenstatue"'.

Wie beseelt ist das „Singende Mäd-
chen'" mit der unsäglich rührenden
und innigen Xeigung des Kopfes, das
in selbstvergessener Seligkeit ihr In-
neres im Gesang ausströmen läßt. Als
plastische Umdeutung eines Rilkeschen
Gedichtes, zart und aneinander zer-
schmelzelnd, erscheint die „Gruppe"'
der beiden jungen Menschen.
Die Haltung und Gebärde dieser Skulp-
turen weist über die Wirklichkeit hin-
aus: ihre keusche herbe Sinnlichkeit
drängt zum Übersinnlichen. Und so ist
in ihnen Millv Stegers nordisches See-
lentum Figur und Gestalt geworden.
Zu dem Glück, das die Harmonie der
Form gewährt, fehlt auch der Traum
nicht, den sie verschlägt.
Welchen Rang diese Bildhauerin als
Porträtistin einnimmt, mit welcher
Einfühlung und Sicherheit sie zu cha-
rakterisieren versteht, beweist die Bild-
nisbüste Helene Thimigs. Man wird
nicht häufig Porträts finden, in denen
treffende Charakteristik. Anmut und
Lebendigkeit, in denen der Adel beseel-
ter Form so überzeugend spricht wie
aus der Büste dieser zarten, herben
Schauspielerin.

Was ganz wenige Frauen unter den
Plastikern erreichen: Verwandlung
durch die Form — das gelingt in ihren
besten Werken der Bildhauerin Millv
Steger.

Schicksal

Milly Steger. Mädchenstatue. Bronze

Hans Thoma erzählt: tende Kritik — endlich sagte er: „Ich kann Ihre

Die Karlsruher Empfehlungen versagten in Düssel- Bilder nicht brauchen für das Publikum, mit dem

dorf (1867) auf eine fast komisch zu nennende Art. ich meine Geschäfte mache — das sind gute Bilder.

Die Situation wurde ernst — sehr ernst — ich bat aber nicht verkäuflich, ich kann sie nicht brauchen."

einen befreundeten Maler, daß er einen Winkel- Ich wollte auf jeden Preis eingehen, den er mir

kunsthändler, der sogenannten Kitsch für ein paar bieten wolle, er zog sich zurück, indem er sagte: „Ihre

Taler in den Ateliers kaufte, zu mir schicken solle. Bilder sind zu gut für mich und mein Publikum."

Eine ganze Reihe kleiner Bilder wurde aufgestellt, Ich rief ihm unter der Tür noch nach, daß meine

als er kam; er sah sie lange an, ich stand erwartungs- Bilder so schlecht seien wie irgendwelche — aber es

voll dahinter — wie wichtig war mir die zu erwar- half nichts.

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