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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Gilardone, Georg: Bayerische Uniformgeschichte in Nymphenburger Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0028

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Staat]. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg

Fähnrich vom Churpfälz. Bayer. Leibregiment
1778 (späteres Kgl. Bayr. 1. Inf.-Regt.)

Grenadier vom Regiment „Kurprinz" 1697
(späteres Kgl. Bayr. 2. Inf.-Regt.)

Entwurf: Bildhauer Hanns Goebl

Goebl die Tradition eines Bustelli, Lerch und Auliczek
auf vielen Teilgebieten wieder aufleben zu lassen.
In letzter Zeit ist in diesem Streben die Porzellan-
fabrik dazu übergegangen, als Ergebnis genauer
Uniformstudien eine lange Reihe durchweg ge-
schmackvoller Typen des alten kurbayerischen, kur-
pfälzischen und königlich bayerischen Heeres zur
Darstellung zu bringen, wie es durch drei Jahrhun-
derte seine ruhmreichen Feldzeichen von Kandia
bis nach Dänemark, vom Ebro bis zur Moskwa ge-
tragen hat. Wir sehen hier, treu in jeder Einzelheit,
die Grenadiere Max Emanuels wie die Jan Wel-
lems vor uns, genau so. wie sie vor zweieinviertel
Jahrhundert durch die Gassen von München. Mann-
heim oder Düsseldorf, diese Hochstätten der wit-
telsbachischen Kunstpflege, geschritten sind oder
auf den Schlachtfeldern der Zeit Prinz Eugens ge-
rungen haben. Weiter stehen hier die Minuccikü-
rassiere und Taxisdragoner des Begründers der Fa-
brik, des Kurfürsten Max Joseph HL, zierliche Leut-
nants von seiner Durchlaucht Leibregiment in der
gewollt einfachen schmucklosen Uniform der Revo-
lutionszeit wie unter der prunkvollen Riesenbären-
mütze der nachnapoleonischen Grenadiergarde, end-
lich Landhusaren, Nationalchevaulegers und Garde
du Corps der Befreiungskriege. Auch der lange,

für die bayerischen Marschkolonnen typische
Trommler junge fehlt nicht. Mühsam hat er sein
umfangreiches Instrument durch allerhand fremder
Herren Länder getragen und vom Ruhm eines Ge-
neralwachtmeisters Truckmüller, eines Generals
Gschray, eines Marschalls Luckner geträumt. Nach
der Heereslegende sollten sie alle ihre Laufbahn als
Trommlerjunge begonnen haben, bevor sie anfingen
,,Fortüne zu machen".

Ein Stück Geschichte und gelebter Schönheit klingt
auf beim Anblick dieser Figuren wie der verklin-
gend-silberne Ton einer Rokokouhr, wie ein Gruß
aus der Stille der Amalienburg dahinten im Grün
des Schloßparks. So wie ihre Abbilder heute vor uns
stehen in bunter Kleidung und der Haltung ver-
schollener Zeiten, haben Soldaten dieser Regimen-
ter einst von der heute noch erhaltenen Nymphen-
burger Leibgardekaserne, jenseits des sonnenbe-
schienenen Rondells halb gönnerisch, halb beneidend
herübergesehen zu dem Treiben des emsigen Völk-
leins von seiner Durchlaucht Hofmodelleuren und
Porcelainemalern. Manchmal mögen diese ihrer-
seits sich über die gravitätische Langweile der
Marssöhne belustigt haben, um ihnen Jahrhunderte
später ein wohlgemeintes zierliches, letztes Denk-
mal zu schaffen.

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