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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Christoffel, Ulrich: Rodin und Hildebrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0043

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I Rodin und Hildebrand. Von Ulrich Christoffei

Die Plastik der Gegenwart möchte den spontanen und aus der schöpferischen Kraft, mit der der Na-
Ausdruck und die hedachte Gesetzlichkeit des Bil- turwille im Künstler wirkt, ihre geistige Form
dens in sich vereinigen, die in Rodin und Plilde- aus der Xaturbeschränkung hervortreten. Im letz-
brand zu weitgespanntem Gegensatz auseinander- ten Sinne ist alle große Kunst naturhaft, wäh-
getreten sind, und die künstlerische Gestaltung zur rend dem imitierenden Naturalismus immer etwas
Sammlung und Vereinfachung zurückführen. Die Unfertiges, Dilettantisches anhaftet. Fiedler hat
Ausglättung der Kontrastwirkungen kann zur letz- seihst Hildebrand gegenüber auf die Gefahr hinge-
ten Reinigung der Form, aber auch zur Leere und wiesen, daß er die Positivität der Form (d. h. die
Manier führen, wo die künstlerische Ar-
beit des Geistes zu einem kunsthandwerk-
lichen Hantieren mit der Materie er-
lahmt. Lmgekehrt kann die Differenzie-
rung des künstlerischen Ausdrucks eine
Blütenfülle bezaubernder Wirkungen her-
vorrufen, aber die Form selber zuletzt
durch die subjektive Willkür zerstören.
Rodin und Hildebrand waren trotz ihrer
Verschiedenheit Zeitgenossen, in den Jah-
ren 1840 und 1847 geboren und darin,
daß sie durch das Sehen die plastischen
Anregungen der Natur in sich aufnah-
men und dem Auge allein die Macht der
Formgebung zuschrieben, Impressioni-
sten. Rodin betrachtete die menschliche
Gestalt Aide die Kathedralen im Lichtge-
flimmer und unter den Farbenschatten
des freien Himmels und die weißen grie-
chischen Torsi erschienen ihm am schön-
sten im grünen Lichtbade der Gärten.
Aber auch Hildebrand, der die plastische
Kunst von diesem mystischen Naturalis-
mus befreite und die Daseinsform des Ge-
sehenen wieder erkannte, sah wie ein
Maler und es berührt den heutigen Leser
des ..Problems der Form"' merkwürdig,
daß der Bildhauer das räumliche Sehen
an Beispielen der Landschaf tsmalerei und
nicht an der plastischen Figur erklärt.
Hildebrand hat sich selber als Maler be-
tätigt.

Der Naturalismus des 19. Jahrhunderts
kommt uns heute verdächtig vor. weil er
das idealistische Moment, das die Wirk-
lichkeit künstlerisch durchdringen soll, in
fataler Weise abschwächte und einseitig
die materialistische Farbimitation schöner
Stoffe wie Seide. Samt. Pelz, Inkarnat,
Früchte. Blumen zur Geltung brachte.
Aber man muß auch mit Rinteln zuge-
ben, daß der Naturalismus ..nichts war
als eine notwendige Phase in der Heraus-
bildung eines neuen großen Stils'1. Die
Kunst verhält sich verschieden zur Na-
tur: sie ahmt entweder die gewordene
Natur, wie das Auge sie sieht, in allen
ihren Reizwirkungen nach oder sie läßt
aus den inneren Triebkräften, die die
Natur dem Künstler eingepflanzt hat, Adolf von Hildebrand. Jüngling

Kunst f. Alle, Jahrg. 50, Heft 2, November 1934

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