B Kunstblbllothek
staatliche Museen
zu Berlin
, entworfen waren. Das Victor-Hugo-Denkmal allein
! beweist die Unmöglichkeit einer monumentalen Aus-
führung der Ideen Rodins, die in ihrer beseelten
Grazie wie die meiste französische Plastik über den
ästhetischen Raum der Vitrine nie hinauswachsen.
Die Brunnen und Denkmäler von Adolf Hildebrand
aber: der Rheinbrunnen, den die Franzosen aus
Straßburg verbannt haben und der jetzt in Mün-
. chen steht, der Wittelsbacherbrunnen, der Huber-
i tustempel mit dem Reiterbild des Prinzregenten
] Luitpold, das Bismarckdenkmal in Bremen können
; als die würdigsten Monumente ihrer Zeit gelten, da
■ sie organisch naturhaft in eine architektonische oder
landschaftliche Situation eingefügt sind oder diese
durch ihre Form hervorrufen und da sie ihren Zweck
der Platzgestaltung ohne jede Betontheit einer Ei-
genart und ohne jeden Effekt erfüllen. Hildebrand
hat als erster Front gemacht gegen die realistischen
und zugleich opernhaft pathetischen Schauspieler-
szenen, die in vollrunder Bronze- und Marmorpla-
stik auf den Straßen der modernen Städte stehen,
und hat dem Denkmal mit einer reliefartigen, bild-
mäßigen Ordnung die plastische Selbständigkeit zu-
rückgegeben, von der Einsicht ausgehend, daß das
Denkmal, das in sich eine geschlossene Form trägt,
diese der Umgebung mitteilt und so die Leere der
Straßen oder Plätze räumlich durchgestaltet. Ohne-
hin hatte sich ..seit Canova eine Art der Vereini-
gung von Architektur und Plastik ausgebildet"" und
Hildebrand führte diese Entwicklung zu Ende, in-
dem er das Denkmal aus „dem Bann der isolierten
Rundplastik, in dem es sich unglücklich krümmte
und windete", befreite und ihm in einem größern
architektonischen Zusammenhang eine neue, edlere
Funktionsmöglichkeit erschloß. Da ein richtiger Ge-
danke, einmal ausgesprochen, durch sich selber fort-
wirkt und nicht mehr umgangen werden kann, hat
Hildebrand durch seine praktische künstlerische Ar-
beit einen völligen Gesinnungswechsel auf dem Ge-
biet der plastischen Kunst hervorgerufen. W enn in
den schlichten, sachgemäßen Kriegerdenkmälern ge-
rade auch der kleinen deutschen Städte wieder Füh-
lung mit der architektonisch gebundenen Plastik des
Mittelalters gesucht wird, ist das Hildebrand zu
verdanken. Alle Bildhauer folgen heute seinem Ge-
bote, weil es das Gebot der plastischen Kunst selber
ist. In jeder künstlerischen Aufgabe liegt eine
Eigengesetzlichkeit, die der Bildhauer erkennen und
darstellen muß. Ein Friedhof mit den gestikulieren-
den Figuren Rodins käme uns trotz der lyrischen
Empfindung derselben beinahe blasphemisch vor,
ein Friedhof aber mit den "Werken Hildebrands er-
schiene uns wie ein Park des 18. Jahrhunderts, in
dem die Natur der unsichtbaren Hand des Künstlers
gehorcht. Seine Monumente dienten nur dazu, den
ideellen und sozialen Zweck des Ganzen in Erschei-
nung treten zu lassen.
Die Betrachtung der Werke Hildebrands und Ro-
dins führt zur Erkenntnis, was der wichtig erfühlte
und zweckmäßig angewandte Formkanon Hilde-
brands für die seitherige Plastik bedeutet. Hilde-
brand beherrschte sich im persönlichen AusdrucU
w eil er nicht seine Werke, sondern das Schicksal der
plastischen Kunst und ihre Aufgabe für den Städte-
bau im Auge behielt. Rodin aber arbeitete in der
artistischen Weise des 18. Jahrhunderts und er mo-
dellierte mit sensibler, virtuoser Hand seine Gefühle
und Träume, ohne sich durch höhere Zwecke ge-
bunden zu fühlen. In dem Naturakt des stehenden
Jünglings ..Das Eherne Zeitalter"" wollte er einen
seelischen Vorgang, das langsame Erwachen des
Menschen aus dem lähmenden Schlaf zur bewußten
Bereitschaft des Handelns darstellen und es ist ihm
auch gelungen, uns das Hochsteigen des Lebens, als
ob sich Muskel um Muskel, Glied um Glied mit Er-
regung fülle, mit unwiderstehlicher Suggestions-
kraft vorzustellen. Aber die Bewegung fließt am
Kern der Gestalt vorbei, nur durch Plaut und Seh-
nen und in aller realistischen Naturwahrheit lebt
der Jüngling nur so lange, als wir dem Zauberer
Rodin glauben. Er ruht nicht plastisch in sich sel-
ber. Der Berliner Jüngling Hildebrands aber ist ein
steingewordener plastischer Gedanke, ein Beispiel,
wie der Künstler mit der schlichtesten Form und
dem sparsamsten Material eine innere Vorstellung,
die vollkommen ausgereift ist, verwirklichen kann.
Jede Einzelheit kommt dem Auge entgegen, obwohl
die Figur den gefühlsmäßigen Kontakt mit dem
Publikum gar nicht sucht. Die entspannte, aber aus
dem Kern herausgebildete Gestalt prägt sich unserer
Anschauung tiefer ein als die vorübergehende Le-
bendigkeit Rodins, weil darin die Natur in ihrem
innersten Wesen und Gesetz nicht nur an der Ober-
fläche erfaßt ist. Heute fordern wir aber vomKunst-
werk, daß es etwas Ganzes in sich beschließt. Diese
frühe Arbeit Hildebrands ist sein Kredo geworden,
durch das er sich seinen Pflichtweg selber vorge-
schrieben hat. Rodin zieht uns in seine träumerisch-
sinnliche Gestaltenwelt wie in einen Strudel hinein.
Hildebrand aber stellt uns in Distanz und fordert
von uns eine geistig künstlerische Mitarbeit an sei-
nem Werk. Natürlich weiß auch Hildebrand, daß
die Plastik ohne B' "gungseindruck starr und tot
wirken mußte. 1 estalten sind aber alle
von einem mer i ig belebenden Licht umhüllt,
jede Form w:.chst aus der andern hervor und
die Gesamtfor scheict nur eine Stufe auf dem
Wege zur höchsten Klarheit der Anschauung fest-
zuhalten.
Wenn man ros der griechischen Plastik über die
gotische in Michelangelo eine mittlere Linie zieht,
festhalte : was an plastischer Essenz allen Zeiten
gemein- >n fügt sie i Hildebrand organi-
scher in diese Tradition als 1 .odin. Rodin bleibt am
Zufälligen, efühlsmäßigen der Fi-
guren hängen. Hildebrand dringt überall mit schar-
fem Kunstverstand zum Wesentlichen eines plasti-
schen Motivs und des Darstellungszweckes vor. Der
ndUche ..Bürger von Calais" von Rodin er-
ie ein Johannes aus einem Passionsspiel,
Gips gegossen, durchglüht von
ii 1 ialtung und Gebärde, mitleiderre-
nchen Ausdruck; aber die Gestalt
asGenie Rodins, und wenn einSchü-
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staatliche Museen
zu Berlin
, entworfen waren. Das Victor-Hugo-Denkmal allein
! beweist die Unmöglichkeit einer monumentalen Aus-
führung der Ideen Rodins, die in ihrer beseelten
Grazie wie die meiste französische Plastik über den
ästhetischen Raum der Vitrine nie hinauswachsen.
Die Brunnen und Denkmäler von Adolf Hildebrand
aber: der Rheinbrunnen, den die Franzosen aus
Straßburg verbannt haben und der jetzt in Mün-
. chen steht, der Wittelsbacherbrunnen, der Huber-
i tustempel mit dem Reiterbild des Prinzregenten
] Luitpold, das Bismarckdenkmal in Bremen können
; als die würdigsten Monumente ihrer Zeit gelten, da
■ sie organisch naturhaft in eine architektonische oder
landschaftliche Situation eingefügt sind oder diese
durch ihre Form hervorrufen und da sie ihren Zweck
der Platzgestaltung ohne jede Betontheit einer Ei-
genart und ohne jeden Effekt erfüllen. Hildebrand
hat als erster Front gemacht gegen die realistischen
und zugleich opernhaft pathetischen Schauspieler-
szenen, die in vollrunder Bronze- und Marmorpla-
stik auf den Straßen der modernen Städte stehen,
und hat dem Denkmal mit einer reliefartigen, bild-
mäßigen Ordnung die plastische Selbständigkeit zu-
rückgegeben, von der Einsicht ausgehend, daß das
Denkmal, das in sich eine geschlossene Form trägt,
diese der Umgebung mitteilt und so die Leere der
Straßen oder Plätze räumlich durchgestaltet. Ohne-
hin hatte sich ..seit Canova eine Art der Vereini-
gung von Architektur und Plastik ausgebildet"" und
Hildebrand führte diese Entwicklung zu Ende, in-
dem er das Denkmal aus „dem Bann der isolierten
Rundplastik, in dem es sich unglücklich krümmte
und windete", befreite und ihm in einem größern
architektonischen Zusammenhang eine neue, edlere
Funktionsmöglichkeit erschloß. Da ein richtiger Ge-
danke, einmal ausgesprochen, durch sich selber fort-
wirkt und nicht mehr umgangen werden kann, hat
Hildebrand durch seine praktische künstlerische Ar-
beit einen völligen Gesinnungswechsel auf dem Ge-
biet der plastischen Kunst hervorgerufen. W enn in
den schlichten, sachgemäßen Kriegerdenkmälern ge-
rade auch der kleinen deutschen Städte wieder Füh-
lung mit der architektonisch gebundenen Plastik des
Mittelalters gesucht wird, ist das Hildebrand zu
verdanken. Alle Bildhauer folgen heute seinem Ge-
bote, weil es das Gebot der plastischen Kunst selber
ist. In jeder künstlerischen Aufgabe liegt eine
Eigengesetzlichkeit, die der Bildhauer erkennen und
darstellen muß. Ein Friedhof mit den gestikulieren-
den Figuren Rodins käme uns trotz der lyrischen
Empfindung derselben beinahe blasphemisch vor,
ein Friedhof aber mit den "Werken Hildebrands er-
schiene uns wie ein Park des 18. Jahrhunderts, in
dem die Natur der unsichtbaren Hand des Künstlers
gehorcht. Seine Monumente dienten nur dazu, den
ideellen und sozialen Zweck des Ganzen in Erschei-
nung treten zu lassen.
Die Betrachtung der Werke Hildebrands und Ro-
dins führt zur Erkenntnis, was der wichtig erfühlte
und zweckmäßig angewandte Formkanon Hilde-
brands für die seitherige Plastik bedeutet. Hilde-
brand beherrschte sich im persönlichen AusdrucU
w eil er nicht seine Werke, sondern das Schicksal der
plastischen Kunst und ihre Aufgabe für den Städte-
bau im Auge behielt. Rodin aber arbeitete in der
artistischen Weise des 18. Jahrhunderts und er mo-
dellierte mit sensibler, virtuoser Hand seine Gefühle
und Träume, ohne sich durch höhere Zwecke ge-
bunden zu fühlen. In dem Naturakt des stehenden
Jünglings ..Das Eherne Zeitalter"" wollte er einen
seelischen Vorgang, das langsame Erwachen des
Menschen aus dem lähmenden Schlaf zur bewußten
Bereitschaft des Handelns darstellen und es ist ihm
auch gelungen, uns das Hochsteigen des Lebens, als
ob sich Muskel um Muskel, Glied um Glied mit Er-
regung fülle, mit unwiderstehlicher Suggestions-
kraft vorzustellen. Aber die Bewegung fließt am
Kern der Gestalt vorbei, nur durch Plaut und Seh-
nen und in aller realistischen Naturwahrheit lebt
der Jüngling nur so lange, als wir dem Zauberer
Rodin glauben. Er ruht nicht plastisch in sich sel-
ber. Der Berliner Jüngling Hildebrands aber ist ein
steingewordener plastischer Gedanke, ein Beispiel,
wie der Künstler mit der schlichtesten Form und
dem sparsamsten Material eine innere Vorstellung,
die vollkommen ausgereift ist, verwirklichen kann.
Jede Einzelheit kommt dem Auge entgegen, obwohl
die Figur den gefühlsmäßigen Kontakt mit dem
Publikum gar nicht sucht. Die entspannte, aber aus
dem Kern herausgebildete Gestalt prägt sich unserer
Anschauung tiefer ein als die vorübergehende Le-
bendigkeit Rodins, weil darin die Natur in ihrem
innersten Wesen und Gesetz nicht nur an der Ober-
fläche erfaßt ist. Heute fordern wir aber vomKunst-
werk, daß es etwas Ganzes in sich beschließt. Diese
frühe Arbeit Hildebrands ist sein Kredo geworden,
durch das er sich seinen Pflichtweg selber vorge-
schrieben hat. Rodin zieht uns in seine träumerisch-
sinnliche Gestaltenwelt wie in einen Strudel hinein.
Hildebrand aber stellt uns in Distanz und fordert
von uns eine geistig künstlerische Mitarbeit an sei-
nem Werk. Natürlich weiß auch Hildebrand, daß
die Plastik ohne B' "gungseindruck starr und tot
wirken mußte. 1 estalten sind aber alle
von einem mer i ig belebenden Licht umhüllt,
jede Form w:.chst aus der andern hervor und
die Gesamtfor scheict nur eine Stufe auf dem
Wege zur höchsten Klarheit der Anschauung fest-
zuhalten.
Wenn man ros der griechischen Plastik über die
gotische in Michelangelo eine mittlere Linie zieht,
festhalte : was an plastischer Essenz allen Zeiten
gemein- >n fügt sie i Hildebrand organi-
scher in diese Tradition als 1 .odin. Rodin bleibt am
Zufälligen, efühlsmäßigen der Fi-
guren hängen. Hildebrand dringt überall mit schar-
fem Kunstverstand zum Wesentlichen eines plasti-
schen Motivs und des Darstellungszweckes vor. Der
ndUche ..Bürger von Calais" von Rodin er-
ie ein Johannes aus einem Passionsspiel,
Gips gegossen, durchglüht von
ii 1 ialtung und Gebärde, mitleiderre-
nchen Ausdruck; aber die Gestalt
asGenie Rodins, und wenn einSchü-
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