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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Rümann, Arthur: Alfred Rethel: zu seinem 75. Todestag am 1. Dezember 1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0092

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wie torsohaft es auch immer ausfallen mochte, ist
doch etwas ganz Gewaltiges geworden,
lietheis hohe ethische Auffassung des Künstlerbe-
rufs spricht wohl am beredtesten aus seiner Toten-
tanzdarstellung. Der Niederschlag grausen Erlebens
im Jahre 1848 wurden sechs Holzschnittblätter, die
in verschiedenen Ausgaben unter dem Titel ..Auch
ein Totentanz" veröffentlicht wurden. Der Dichter
Robert Reinick halle zeitgemäße Verse zu dem
Thema gedichtet. Rethel übersetzte sie ins Bildhafte,
aber er hob seine Auffassung weit über die des
Dichters hinaus. Mit überzeugend großen Gesten
stattet er die Figur des Todes aus. Die einfache Be-
handlung des Holzschnittmäßigen, am großen Vor-
bilde Dürers geschult, tut ihre Wirkung. Der Geist
bleibt Sieger über das Materielle der Technik, der
Zeichnung, nirgends kann eine überflüssige Einzel-
heit den hohen Sinn des Ganzen schmälern. Wie ein
sechsfacher Notschrei tönen diese Blätter an sein
deutsches Volk in seiner Verblendung: ..Gott im
Himmel weiß, was aus uhsenn schönen deutschen
Vaterland wird! Einen tiefen, unvergeßlichen Ein-
druck haben diese Trauer- und Schreckenstage auf
mich gemacht, so unnatürlich, so fürchterlich, wenn
Brüder, Landsleute sich untereinander morden!"
Das Motiv des Todes beschäftigte Rethel in diesen
späten Jahren wiederholt. War es doch schon eine
trübe Vorahnung seines tragischen Geschickes, das
sich nun bald erfüllen sollte? Welcher Deutsche

kennt nicht die beiden ergreifenden Holzschnitt-
blätter, die einzigen, die wirklich populär geworden
sind, den grausigen ,,Tod als Würger", dem der
plötzliche Ausbruch der Cholera in Paris während
der Karnevalsunterhaltung zugrunde liegt, und den
,,Tod als Freund", dessen versöhnender Inhalt zu-
tiefst ergreift. Nicht weniger erschütternd sinn
seine vierBeiträge zurCottaschenBilderbibel, 1850.
in denen er seine berühmten Mitarbeiter weit hinter
sich läßt, wie zehn Jahre vorher bei den Illustratio-
nen zum Nibelungenlied. Biblische Motive beschäf-
tigten Rethel mehrere in dieser Zeit. Gewaltige
Kompositionen behandeln das Thema Saulus-Pau-
lus. sie erinnern in ihrer dramatischen Wucht an
große Bilder von Rubens. Man darf nicht verges-
sen, daß Rethel das alles geschaffen hat, als er mit-
ten in der heiklen Arbeit für die Aachener Fresken
stand. Aber seine hohe Auffassung von seinem
Künstlerberuf ließ ihn vieles überwinden, bis sein
großer Geist in Nacht versank:

,,Die Kunst ist das vom Himmel mir anvertraute
Kapital, über dessen Verwaltung und Verwertung
ich einst vor Gott und Menschen Rechenschaft ab-
legen muß. Die Bilder sind meine Kinder. Mit gro-
ßen Sorgen und Schmerzen bringe ich sie zur Welt
und ist ihre Heranbildung verbunden, und entlasse
ich eins derselben, muß ich mich von demselben
trennen, so fühle ich es tief, daß es ein Stück von
meinem eignen Ich war."

Alfred Rethel. „Die Füchse haben ihre Höhlen, der Menschensohn aber hat nichts,
wohin er sein Haupt legen könnte"

SO
 
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