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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Morper, Johann Joseph: Moderne Kirchbauten des Saargebietes
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0115

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Moderne Kirchenbauten des Saargebietes. Von j. j.Morper

I. Pfarrkirche St. Anna in St. Wendel von Architekt Prcf.
Hans Herkommer, Stuttgart (Abb. S. 1C4)

Der Initiator dieses fortschrittlichsten aller neuen
saarländischen Kirchenbauten war der Pfarrherr
von St. Wendel, Dechant Heibges, der den Archi-
tekten gelegentlich einer Tagung der Christlichen
Kunst in München einlud, ein Projekt auszuarbei-
ten. Die Pläne, die schon im ersten Ansatz auf
einen umfassenden Komplex mit Kirche, Pfarr-
haus, Gemeindehaus und Schule angelegt waren,
liegen seit 1928 vor und sind 1950/52 mit Aus-
nahme des noch ausstehenden Gemeindehauses auch
plangemäß durchgeführt worden. Die Absichten
des Architekten konnten sich in vollkommener
Freiheit aussprechen. Im Stadtteil Alsfassen, an
der Landstraße gelegen, bildet die mit der ganzen
Ungewohntheit ihres modernen Idioms aus der
Landschaft hervortretende Kirche mit Pfarrhaus
und künftigem Gemeindehaus eine Baugruppe in
Z-Form, innerhalb deren die Stirnseite des Ge-
meindehauses an der Straße liegt, die Längsseite
des Pfarr- und Küsterhauses parallel zur Straße
zurückverlegt und die Kirche mit ihrer Eingangs-
seite in die Flucht des Pfarrhauses eingestellt ist.
Auf diese Weise war es möglich, vor der Kirche
einen sehr geräumigen Vorplatz zu gewinnen, der
für liturgische Spiele Verwendung finden soll. Bau-
technisch ist die Kirche eine Stahlskelettkonstruk-
tion, die mit Bimshohlsteinen (d. h. Hakensteine
der Triolsteinwerke) ausgefacht und innen und
außen weißgeputzt ist. Die Portalnischen und Fen-
sterleibungen sind in Klinkern eingefaßt, zwei
schmale Klinkerbänder durchziehen auch den wei-
ßen Putz der Außenwände. Die Eingangsfront
wird von einer klinkergesäumten, dreifach gekup-
pelten hohen Bogenfolge, die fast bis zum Dach-
ansatz aufsteigt und von ausgesuchtester Schlank-
heit ist, triumphpfortenmäßig gegliedert. In den
Leibungen sitzen Freskenfiguren von W. Oser. Die
Längsseiten bereihen sich mit einer Folge schmäl-
ster, auf den Boden herabgeführter Fenster mit
Klinkergewände, die wie brillenhaft aufgesteckt
wirken. Sparsamste Gliederung weist der im Quer-
schnitte rechteckige Turm auf, dessen schmal-
schlitzige Öffnungen von Platten überschnitten
sind. Der Außenkörper der Kirche ist von einer
seltsamen Abstraktheit und Unsinnlichkeit. Im In-
nern erhält der Baum durch die Elimination der
Stützen eine saalartige Weite, gegen die sich der
schlanke Chorraum mit absorbierender Kraft be-
hauptet. Biesengroß steht in der Chorwand eine
Darstellung der drei göttlichen Personen, in drei-
farbigem Sgraffitto auf Goldgrund von B. Kuhn
ausgeführt. Von der linken Flanke her strömt ihm
aus drei stangendünnen chorwandhohen Fenstern
Licht zu. Die Abschlußwände der Abseiten sind
im gleichen Rhythmus wie die Eingangsfront durch

Bogenfolgen gegliedert, in denen Metallschmuck
hängt. Ein manieristischer Expressionismus tobt
sich in den kunstverglasten Fenstern von Rudolf
Kuhn aus, deren Figuren sich die allerrohesten
Schnitte infolge der ungewöhnlichen Schmalheit
der Fenster gefallen lassen müssen. Ihre feurige
Farbigkeit hilft allerdings bedeutend mit, daß ein
wohlig warmes Licht im Räume steht und ein sinn-
licheres Leben die Abstraktheit seiner Konzeption
erfüllt.

iL Hildegardiskirche in St. Ingbert von Architekt Prof.
Albert Boßler, Würzburg (Abb. S. 102, 103)

Baubeginn am 25. September 1928. Tag der Ein-
weihung 22. September 1929. Das zum Kirchen-
komplex unzertrennlich gehörige Pfarrhaus wurde
vom Oktober 1950 bis Mai 1951 erbaut. Ein we-
sentliches Verdienst daran, daß die meisterhaften
Pläne des Architekten so ausgeführt wurden, wie
er wollte, gebührt dem menschlich so prächtigen
Pfarrer Eckhard, der die ganze Kraft seiner wer-
benden Beredsamkeit innerhalb seiner Pfarrge-
meinde von Wirtschaft zu Wirtschaft trug und das
als ..reinster Grubenstollen" gescholtene Innere
der Kirche im unbeirrbaren Vertrauen auf die
Kunst seines Architekten durchsetzte. Das weit-
hingedrungene Ansehen des Neubaues, der als der
schönste und straffste Kirchenbau des Saargebietes
gilt, bildet den Lohn seiner Treue. ,,Die Haupt-
bedeutung der Kirche liegt im Städtebaulichen.
Wie selten ein modernes Bauwerk, steht sie, mit
ihrer Umgebung wie seit langem und selbstver-
ständlich verwachsen, beherrschend auf der Höhe,
eine wahrhafte Stadtkrone. Die knappe Silhouette
ist wohltuend einfach und leicht zu erfassen, die
Gruppierung der mit sicherem Gefühl ausgewoge-
nen Massen, deren obere Kontur konsequent durch
eine horizontale Brustmauer gebildet wird, hinter
der die wenig steilen Dächer aufsteigen, ist klar
und nicht gekünstelt. Insbesondere der ganz ein-
fach geformte, 26 m hohe und 9 m breite Glocken-
turm zeigt vortreffliche Verhältnisse. Auch hier ist
das von Boßlet verwendete Motiv eines westlichen
Querhauses zur Einspannung des Langhauses be-
nützt und so von vorneherein das gerade bei nicht
sehr großen Stadtkirchen oft recht peinliche Ab-
fallen der Masse gegen die dem Turm abgewen-
dete Seite glücklich vermieden. Die Seitenschiffe
sind erstaunlich niedrig, was dem Mittelschiff al-
lerdings zu erhöhtem Ansehen verhilft. Die farbige
Erscheinung ist bestimmt durch die dunklen Klin-
ker des Mauerwerks, die in einer Industriegegend
schon wegen ihrer großen Haltbarkeit Säuren ge-
genüber große technische Vorteile besitzen, und
die naturroten S-Pfannen der Deckung. Der im
ganzen schlichten, sympathisch sachlichen Gesamt-

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