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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Hellwag, Fritz: Das Bildnis in der deutschen Plastik: Ausstellung im Prinzessinnenpalais in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0173

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B Kunstblbllothek
Staatliche Museen
zu Berlin

Ernst Barlach. Theodor Däubler

ler und J. Fr. Eberlein u. a. ein schönes Standbild
Augusts III. von Sachsen geschaffen.
Um die Wende des 18. Jahrhunderts dozierten
Kunstgelehrte, besonders Winckelmann und Les-
sing, -wie die Bildhauer zu schaffen hätten. Der
junge Schadow geriet in Rom in die pseudoantike
Atmosphäre der Thorwaldsen und Canova, hatte
aber sehr bald genug davon und trennte sich von
dieser Auffassung mit den V\ orten: ..Wer Prosa im
Busen hat, der rede solche! Und wer begeistert ist,
der dichte!" Das war wohl auch an die Adresse
Goethes gerichtet, der mit der Berliner Bildhauerei,
die von nun an Schadow vertrat, gar nicht zufrie-
den war und in den „Propyläen1" geschrieben hatte,
in Berlin scheine der Naturalismus, der prosaische
Hausgeist zu Hause zu sein, Poesie werde durch
Geschichte, Charakter und Ideal durch Porträt ver-
drängt. Er hatte damit nicht unrecht, aber man
darf hinzufügen, daß dies für die, nun von Berlin
geführte deutsche Bildnisplastik, wie für die bil-
dende Kunst überhaupt, eine Gesundung gewesen
ist. Und es war ein Glück, daß Schadow ein so gu-
tes Handwerk aus seiner Lehre mitbrachte. Wie

sehr ihm das am Herzen lag, ist aus seinem langen
Brief an Böttiger zu ersehen, in dem er seine hand-
werklichen Methoden systematisch zu beschreiben
versuchte. Sein scharfer Blick und sein gutes Ge-
dächtnis ermöglichten es ihm, sogar Verstorbene,
wie Fasch. Meierotto und Gilly so charakteristisch
darzustellen, daß die Büsten nach dem Leben ge-
formt zu sein scheinen. Im übrigen darf seine so
oft beschriebene Kunst in diesem Bericht als be-
kannt vorausgesetzt werden, ebenso die seines Kon-
kurrenten und siegreichen Nachfolgers Christian
Daniel Rauch, der freilich nicht seinen Geist und
seine Vitalität besaß, aber besser als er verstand,
ohne sich künstlerisch etwas zu vergeben, ein Be-
dürfnis nach Repräsentation zu befriedigen, und es
deshalb mindestens zur gleichen Popularität ge-
bracht hat. Schadow hatte keine bedeutende Nach-
folge, und aus der Gefolgschaft Rauchs warAugust
Kiß nicht vertreten, aber man kennt sein Selbst-
bildnis aus der Nationalgalerie; Friedrich Drake
hatte nicht mehr die vornehme Zurückhaltung sei-
nes Meisters, und GustavBläser wie Friedrich Voll-
gold zeigten eine etwas zu elegante Glätte, die aber
bei Hofe so sehr gefiel, daß sie ihre Statuetten un-
zählig wiederholen mußten.

Reinhold Begas, der die Note genialischen Barocks
in die Plastik eingeführt hatte, betätigte sich
augenscheinlich unfroh im plastischen Porträt: die
Menzelbüste entspricht gar nicht seiner sonstigen
Arbeitsweise, sein Moltke steht schon fast an der
Grenze der Mache und wird z. T. von dem Schlief -
fen von Fritz Klimsch weit übertroffen. Ganz anders
erscheint Adolf Hildebrand, der im Gegensatz zur
klassischen Ruhe seines figuralen Schaffens im Por-
trät zu einer überraschend lebendigen Charakte-
ristik gelangte; wir hätten außer seinem wunder-
vollen Böcklin und dem Bildnis seines Vaters gern
auch die unübertroffene Büste von Henriette Hertz
aus Rom hier gesehen.

Einen sehr guten Gedanken hat die Ausstellungs-
leitung erfolgreich verwirklicht, indem sie — im
übrigen nur nach Material gliedernd — Werke
lebender Künstler überall unter die alten mischte;
sie haben solche schwere Prüfung gut, oft sogar
siegreich bestanden. Es ist nicht möglich, alle Na-
men zu nennen; es seien nur einige aufgeführt.
Zwei Arbeiten in Holz: Wackeries bewegte Büste
seiner Frau, und der breitgescbnittene Däubler von
Barlach; sie hielten gotischen Meisterstücken,
neben die sie gestellt waren, durchaus stand. Georg
Kolbes ausdrucksvoller Kopf der Frau Fahrenholtz,
der Granitschädel Wölfflins in Granit von Edwin
Scharff, das großzügig durchgebildete Selbstbildnis
von Richard Scheibe und sein zarter Marmorkopf
der kleinen Susi Möller; ferner der wuchtige Kopf
des Malers Christian Rohlfs v. Alexander Zschokke,
und zuletzt die lebenswarme Marmorbüste von Frau
Falk, sowie das Standbild derselben Dame in
Kunststein, beide von Wilhelm Lehmbruck, die
allein diesem Künstler seinen Platz unter den Gro-
ßen zuweisen müßten, auch wenn sein übriges
Werk nicht bekannt wäre.

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