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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Fischer, Theodor: Das Wandbild, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0176

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Alfred Heinrich Pellegrini. Sünder und Tröster

Wandbild im Strafgerichtssaal zu Basel. 1926

nennt Secker als Voraussetzungen für das Große:
geistige Sammlung, Einfachheit und Gesetzmäßig-
keit. Er findet das bei Giotto mehr, als bei den Ge-
waltigen der Renaissance: Lionardo (Abendmahl),
Raffael (Disputa), Michelangelo (Sixtina)*). Die
unübersehbare Nachfolgeschaft Raffaels teilt in zu-
nehmendem Maße den Mangel, daß hinter der Wand
ein Raum vorgetäuscht wird. Diesseits der Berge
wird Dürer genannt, dessen frühe Holzschnitte und
am Ende die Münchner Apostel die Merkmale der
Großheit aufweisen. Auch Poussin baut seine Bil-
der, Rembrandt aber malt. (Und doch müßte dar-
aufhin eine Rembrandtsche Landschaft, wie die in
Kassel, geprüft werden! Th. F.) Als Wegbereiter
großen Formats wird dann Marees dargestellt. Pu-
vis de Chavanne mangelt „des Mutes der Freske",
er klebt Ölbilder auf die Wand, klebt sie wohl auch
einmal um die Raumecke herum. Gauguin aber,
der geborene Wandmaler, kommt zu keinem Auf-
trag. Ferdinand Hodler strebt nach dem Großen
mit seinem „Parallelismus", dem Prinzip der Rei-
hung. Erst mit dem Jenenser Bild erkennt er, daß
die Reihung nicht Hauptmotiv im Bild sein darf,
sondern allenfalls Begleitung. Immer näher kommt
Secker dem, was er sich zum Ziel gesteckt, dem ge-
bauten Bild; eine letzte Vorbereitung ist das Werk
des Dänen Skovgaard, von dem mehr zu sehen das
vorgeführte kirchliche Fresko von Viborg begierig
macht.

Damit nun glaubt der Verfasser vor seinem Hei-
ligtum angelangt zu sein. Adolf Holzel der kürz-
lich verstorbene, öffnet ihm die Türe. Er, der
Selbstlose, der auf den Ruhm eigener Produktion
seit langem fast ganz verzichtet hat, war groß als

*) Hier ist ein Hinweis auf die Arbeiten des Baseler Kunstgelehr-
ten Walter Uberwasser am Platz. („Von Maß und Macht der alten
Kunst"', Heitz & Co. 1955.) Er glaubt das Korapositionsschema
Giottos in dem Sternacnteck gefunden zu haben, das dem Bild-
rechteck eingezeichnet ist.

Forscher und Lehrer. Zu einem Abschluß, zur festen
Formulierung ist seine Lehre des Bildaufbaues
nicht gekommen — natürlich, denn die Herrschaft
von Gesetzen schließt nicht aus, daß diese vielge-
staltig und auch wechselnd im Gebrauch sind.
Der begabteste Schüler Hölzeis, Hans Brühlmann,
starb in jungen Jahren. Er konnte sich in den Pful-
linger Hallen und an der Erlöserkirche in Stuttgart
an der ATand betätigen. (Leider ist der ganzen
Schule die Maltechnik nicht so wichtig gewesen,
wie die Komposition: so ist von dem Kirchenbild
heute fast nichts übriggeblieben, und auch die Ge-
mälde der Pfullinger Hallen sind gefährdet).
Nicht ein Schüler Hölzeis im eigentlichen Sinn,
wohl aber von ihm entscheidend beeinflußt, ist Al-
fred Heinrich Pellegrini aus Basel, der für Secker
die vorläufige Erfüllung bedeutet und dem die
zweite Hälfte des Buches gewidmet ist. An einer
reichen Folge von Abbildungen entwickelt der Au-
tor seine Auffassung. Durch den Hölzelschen Ge-
dankenkreis ist Pellegrini nicht ohne verstandes-
mäßige Erfassung der Gesetze gegangen. Es ent-
spricht auch seiner Natur, daß er klug und in
scharfer Überlegung seine Maßnahmen trifft, aber
ihm ist diese geistige Beherrschung des Problems
nur eine Unterstützung der wundervollen Veranla-
gung seines nie versagenden künstlerischen Ge-
fühls. Es ist nicht möglich, der fein nachfühlenden
Ausdeutung Seckers hier im einzelnen zu folgen.
Statt vieler Andeutungen sei nur ein Bild nach sei-
nem Vorgang betrachtet: eine kleine Wettbewerb-
skizze für ein nicht ausgeführtes Wandbild am
Kunstgebäude in Stuttgart. Secker fragt: worin be-
ruht das Geheimnis dieser Großheit? Ein Frauen-
akt und ein Reh in einfachen Umrissen vor einem
dreigeteilten Hintergrund; der Fuß der Meeres-
insel teilt das Bildrechteck im Goldenen Schnitt; der
Nabel der Figur, als „Waage-Punkt" liegt auf die-
ser Linie und zugleich mit dem linken Vorderlauf

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