Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

DOI Artikel:
Christoffels, Ulrich: Berliner Kunst in München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nicht nur bei den Karikaturisten Simmel, Abe- Hesterberg, Degener. von Keudell wissen in ihren
king, Koch-Gotha das Anekdotische stark unterstri- Landschaften und Bildnissen bei ganz verschie-
chen wird und die Nachwirkung Max Klingers be- dener persönlicher Einstellung und Stilisierung
merkenswert lebendig geblieben ist. Auch die schö- alle den Gegenstand mit einer eindringlichen
nen Landschaftsaquarelle und Kohlezeichnungen und zugleich malerischen sensiblen Tonigkeit auf-
von Franz Lenk und Albert Birkle haben allein zufassen, den Dingen sachlich gerecht zu werden
schon in der Strichführung und Schattenbewegung und das Auge zu befriedigen. Aus diesem Rahmen
etwas Erzählerisches an sich und in den von tiefem ragen die Bilder von Leo von König, darunter das
sozialen Verstehen durchdrungenen Zeichnungen Bildnis des Reichskultusministers Rust durch ihre
der Käthe Kollwitz ist das ethische Ferment der ungewöhnlich noble Haltung und durchgeistigte
dramatischen Darstellung schon durch den Stoff ge- Farbstimmung heraus und zwingen zu längerem
boten. Nur die Bildhauerzeichnungen der Kolbe, Verweilen. Auch in dem Stehenden Mädchen und in
Harth, Breker, Mareks sind allein durch die Be- den Booten von Hans Hubertus Alerveldt spürt man
wegung der Körper und den lebendigen Zusammen- eine Hand von ausgesprochen formgebietendem
fluß der Linien in der Fläche bedingt. Willen und von besinnlicher Sammlung und eben-

Die ruhig beherrschte, naturalistische Meisterlich- falls lassen die Mädchenfiguren von Emil Rudolf
keit der altern Künstler der Vorkriegszeit wie Weiß eine bewußtere Gestaltung erkennen, die der-
Artur Kampf, Herrmann, Dettmann, Kardorff, selbe Maler auch in dem bescheiden feinen Natur-
Langhammer, Rhein ist auch auf die jüngern und bericht „Ich gehe malen" zu wahren weiß. In allen
heutigen Maler übergegangen und die Jäckel, diesen Bildern entsteht die Einheit aus der Form,
Plontke, Storch, Richter, Feyerabend, Ehmich, nicht aus dem Dekorativen. Otto Herbig bindet an
Roloff, Saenger, Zeller, Teuber, Büttner, Rössner, die tonige Farbigkeit seiner Mütter und Kinder
Frank, Amersdorffer, Meyboden, Haniel, ter Hell, und seines römischen Gartens Phantasien und

Menschlichkeiten, die nun in seinen zurück-
haltenden Bildern als ein innerliches Sum-
men mitschwingen. Nach einer ganz andern
Richtung hin hielt sich Hans Purrmann
immer abseits von den Schulexpressionisten,
indem er in seinen dicht und kräftig ge-
flochtenen Stilleben und Interieurs einer
starkfarbigen, positiv malerischen Bildge-
bung zustrebt, die Natur und Stil in sich
vereinigt und etwa neben dem behaglichen,
buntgestickten Stubenbild von Linde-Wal-
ter weniger ortsgebunden berlinerisch er-
scheint. Alle diese Bilder zeigen, daß in
Berlin neben dem vorlauten Expressionis-
mus eine stille, ernsthafte Kunst gepflegt
wurde und daß sie Werte hervorgebracht
hat, die in München wieder fehlen. Unter
den Expressionisten selber würde ich die
Blumen und Landschaften von Emil Nolde
den derbern Dekorationsstücken von Pech-
stein und Schmidt-Rottluff und selbst der
freundlich blinkenden Bilderbogenland-
schaft „Konstanz" von Erich Heckel wegen
ihrer eigenartigen, magisch aus der Tiefe
sich lösenden Farbenklänge vorziehen.
Unbestritten ist die Lberlegenheit Berlins
auf dem Gebiete der Plastik schon durch
die Persönlichkeit Georg Kolbes, dessen
hoheitsvolle Frauengestalt den einen Saal
wirklich erfüllt in ihrem einfachen Sein
und Dastehen. Aber auch der schmiegsame
Fackelträger von de Fiori und die in
der Einzelzeichnung scharf ausgeprägten
Bildnisköpfe von Breker, sowie die Gestal-
ten und Bildnisse von Gerstel, Roll, Mareks,
Klinisch, Rhades, Balz, Kasper und Primm
und die Tierfiguren von Harth, Sintenis
und Bernuth bringen viel Anregendes und
Hans Hubertus Graf von Merveldt. Stehendes Mädchen Beachtenswertes.

200
 
Annotationen