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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Hellwag, Fritz: Otto Dix, Bilder aus dem Hegau: zur Ausstellung in der Galerie Nierendorf in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0244

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Otto Dix. Kandegg im Hegau. Federzeichnung

Lenk dem älteren Freund, mit dem ihn Landsmann-
schaft und soziale Herkunft verbanden, helfend und
selbstlos zur Seite. An dieser Stelle sind wir ihm
Dank schuldig für die Hilfe, die er dem Künstler
Dix geleistet hat. der, mit Lenk am Steuer, jetzt eine
scharfe und gefährliche Kurve glücklich überwun-
den zu haben scheint. Die Aufforderung zur ge-
meinsamen Studienreise ist da nicht allein entschei-
dend gewesen, sondern die. vielleicht ganz im Unter-
bewußtsein gelegene Wahl des rechten Zieles in
der so vielartigen deutschen Landschaft: zunächst
das Hinführen vor die große Natur überhaupt.
Die Landschaft des Hegau ist uralter vulkanischer
Boden. Berge und Hügel türmten sich hier ehedem
und durch die "Wellen der Ebene geht sichtbar ein
drängendes Geschiebe, über das jetzt Fruchtbarkeit
und Reife ein liebliches Gewand gebreitet haben.
Dem Ohr des bedrängten Künstlers aber ist jenes
besänftigte Nachgrollen nicht entgangen und hat
einer neuen seelischen Stimmung den überleitenden
rhythmischen Akkord gegeben. Das ist es. was wir
diesen Bildern nachempfinden.

Zunächst hat der Zeichner in Dix seine alte Kraft
gesammelt. Mit großem Genuß sehen wir, wie er

den erregenden Wechsel horizontaler und vertika-
ler Geländesschichtung mit Feder und Silberstift
ordnend, bewältigte. Diese so unmittelbar werten-
den Notizen gehören zu den schönsten Landschafts-
zeichnungen, die wir überhaupt besitzen. Und dann
erkennen wir, wie auch der Maler Dix, wenn man
so sagen darf, vor der Natur genesen ist und seine
Palette mit sanfteren Tönen bereicherte. Oft leuch-
tet noch das fahle grünewaldsche Licht auf, das für
ihn so charakteristisch ist: im ,.Hochmoor mit Go-
geien" stellt er ein dramatisch aufbrechendes Wol-
kentor neben die scharfzackigen Spitzen des vulka-
nisch ausgestoßenen Gesteins, an dem das Nadelholz
emporklimmt oder sich aus dem Moorboden spießt.
In der breit durchgehenden Landschaft mit dem
..Hohensloffeln" im Hintergrund steht der flache
Kegel blau vor gelblichem Hintergrund. In der zar-
ten ..Frühlingslandschaft"" öffnet sich ein breites
Tal, und vom braunen Vordergrund schlängeln sich
die Wege in eine bläulich verschwimmende Ferne,
über der ein sanfter Wind die weiße Wolkenschicht
vom Blau des Himmels bläst. So wechseln lebhafte
und stillere Erlebnisse miteinander, aber stets ist
ein erdhaftes Genießen deutlich spürbar, über das

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