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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Christoffel, Ulrich: Über die große Münchener Kunstausstellung 1935
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0278

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Franz Doli. Schneewetfer

Große Münchener Kunstausstellung 1935

Dichtung „etwas" aussagen, eine Gesinnung ver-
körpern, aus der Phantasie einen packenden Bild-
gedanken selber hervorbringen. Die Kunst wendet
sich heute in einem langsamen Übergang von der
Form zum Inhalt, vom Sinnlichen zum Roman-
tischen, aber sie hat im Gegensatz zur heutigen
Dichtung ihren Gehalt noch nicht gefunden oder
wenigstens noch nicht endgültig gestalten können.
Gleichzeitig erfolgte ein Ausgleich in der Wertung
der Künstlerpersönlichkeit, die im Zeitalter der
..Malerfürsten'' entschieden eine Lbersteigerung
erfahren hatte, indem man heute die Kunstwerke
weniger nach ihrem Herkommen vom einzelnen
Künstler als nach der ideellen Zweckbestimmung
beurteilen möchte, der sie zu dienen haben, nach
der Aufgabe, die sie in einem größern räumlichen,
tektonischen, geistigen, sozialen Zusammenhang
zu erfüllen haben. Selbst in der Blütezeit der in-
dividualistischen Selbstherrlichkeit sehnte sich Ro-
din nach „unsichtbaren Kathedralen", für die er
arbeiten wollte. Ob diese Kathedralen unter den

Menschen je wieder sichtbar werden können, ist
ungewiß, aber die Einsicht hat sich seither allge-
mein durchgesetzt, daß die Künste nur an der Idee
und Verpflichtung des Gesamtkunstwerkes, wie es
Mittelalter und Barock aus tausend namenlosen
Händen erwachsen sahen, genesen können. Das
neue Ziel ist gegeben, aber die Zeit arbeitet lang-
sam. Auch in der jetzigen Ausstellung nehmen be-
sinnlich romantisierende, bürgerlich befriedete
Landschaften und Stilleben im Sinne des Natura-
lismus und Impressionismus einen breiten Raum
ein. und Versuche einer neuen gestaltenden, auf-
bauenden Kompositionskunst findet man kaum.
Nur in der Abteilung „Christliche Kunst", die
durch Kartons, Glasbilder und Plastiken von Eberz,
Hermann Kaspar, Hotter, Jutz. Bertram, Braumül-
ler, Burkart, Rabolt, Baur, Hofmann vertreten
wird, sind größere Kompositionen zu sehen. Eine
Gemeinschaftskunst großen Stils kann aber nur
aus dem ethischen Idealismus und künstlerischen
Schöpfertum der Komposition hervorgehen, die

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