in Blechen einen phantasiereichen und gedanken-
tiefen Ausdeuter gefunden. Mönche. Pilger und Rit-
ter, gotische Kirchen und Burgen wurden in immer
neuen Verbindungen mit realistischen Landschafts-
motiven zu Trägern seiner zur Melancholie neigen-
den Innerlichkeit. Eines der bedeutendsten Bilder
der voritalienischen Zeit ist das 1826 datierte Ge-
mälde der Dresdener Galerie, die gotische Ruine mit
dem schlafenden Pilger. Der weitgespannte Innen-
raum läßt durch das zerstörte Gewölbe den Himmel
sehen, in den sich die in Schrägansicht gezeichneten
Pfeiler baumartig recken. Die ausgedehnte Krypta
in Haupt- und Querschiff ist aufgebrochen, es liegen
gleichsam die Wurzeln der Pfeiler bloß, und Wasser
staut sich, das durch seine Spiegelung eine zweite
Unendlichkeit nach unten eröffnet. Der Pilger, der
das Ziel seiner Reise so zerstört vorfand, liegt schla-
fend am heiligen Ort, durch sein Vertrauen den Vor-
gang bejahend: der zerfallende menschliche Bau
wächst in die Natur zurück. Die Birke, etwa an der
Stelle des einstigen Altars im Gemäuer verwurzelt,
bringt einen hellen Lichtschein in den verdämmern-
den Raum.
Blechen wird so zu einem Maler des Schicksalsbildes.
Man darf wohl einmal zwei sehr verschiedene Werke
von ihm unter diesem Gesichtspunkt vergleichen,
denn der Künstler hat in ihnen unter wechselnden
Darstellungsformen sein bleibendes Grund- und
Hauptthema ausgesprochen. Wenn bei einem Werk
von 1827, der Steinzeichnung „Don Juan auf dem
Kirchhof", Schreck und Grauen in der Begegnung
des Lautenspielers mit dem Gespenst an feierlichem
Ort bei Vollmond zum Ausdruck kommt, so ist im
A'ergleich mit dem „Blitz" (siehe Jahrgang 1950/51,
Augustheft), einem etwa sechs Jahre später entstan-
denen Gemälde (verbrannt 1951), der weite Abstand
von dem frühen zum späten Blechen erkennbar, und
die in wenigen Jahren durchmessene glückliche Ent-
wicklung von Theatralik zu künstlerischer Reife
wird deutlich. Denn nun, in dem „Blitz", wurde eine
Naturerscheinung selbst zum Symbol, deren groß-
artiges Färb-, Licht- und Formbild wie eine Begleit-
musik zu dem unbegreiflichen Virken des Schick-
sals anmutet. Das von wenigen so gut beobachtete
und nie gemalte Einschlagen eines Blitzes in einen
Baum ist als Phänomen so eindrucksvoll, daß seine
Auswirkung, der Tod des Fuhrmanns, fast unwich-
tig daneben erscheint.
Auch eine reine Landschaft kann mit Stimmungen
dieser Art erfüllt sein, zum Beispiel bei dem wohl
1855 im Harz entstandenen Bilde „Galgenberg bei
Gewitter" (Abb. S. 4).
Seinem italienischen Jahr (Herbst 1828 bis Herbst
1829) verdankt Blechen den freieren Blick in die
Natur, die Hinwendung zur Gegenständlichkeit der
Landschaft und des Menschen, deren Erscheinung
nun nicht mehr eigenwillig überformt wird. Er be-
müht sich nicht mehr, eine nüchtern gesehene reale
Welt ins geistige Reich des Romantischen zu über-
tragen und zur Kunst zu erheben, sondern die Welt
trägt nun selbst für ihn schon so viel große Form
in sich, daß ihre Darstellung genügt.
In zahllosen Bleistift- und Sepiablättern hat Blechen
seine Reiseeindrücke sich und uns überliefert. Um
das farbige Bild festzuhalten, benutzt er zunächst
Wasserfarben (Pompeji, Pästum), dann aber vorwie-
gend Ölfarbe, und schafft, seiner rastlosen Aufnahme-
bereitschaft folgend, vielleicht auch genötigt durch
die Eile der Reise, die für seine Kunst bezeichnen-
den Ölskizzen, die ihm dann als Grundlage für die
nach der Rückkehr in Berlin entstehenden großen
Gemälde dienen. Diese Skizzen werden häufig in
sehr kleinem Maßstab durchgeführt und enthalten
dennoch bereits alle Elemente des großen Bildes.
Als Malgrund wird sowohl für die Farbskizzen als
auch zuweilen für die endgültige Fassung ein toniges
Papier, braun, gelb oder rosa, verwendet. Ein Werk
dieser Art ist das von Blechen wiederholt gemalte
Bildchen „Marine von Atrani" (Abb. S. 2). Ble-
chens italienische Landschaften unterscheiden sich
von den prunkhaften Veduten des achtzehnten Jahr-
hunderts ebenso wie von den Ideallandschaften seiner
Zeitgenossen. Er wollte nicht das übliche Panorama
geben, sondern als subjektiver Beobachter, von sei-
nem Standpunkt am Wege aus, das Wesentliche er-
fassen oder einen scheinbar unbedeutenden Land-
schaftsausschnitt als gültiges Beispiel südlicher Land-
schaft herausheben. Das Naturleben des Waldes, des-
sen Wildheit und Einsamkeit in frühen Bildern
durch Kobolde und Klausner gesteigert wurde, erhält
nun als Staffage Mönche in stillem Gespräch oder
badende Mädchen (Park von Terni. s. farbiges Bild).
Die wechselnde Verbindung der Grundmotive ist be-
zeichnend für die Arbeitsweise Blechens. Figürliches
verknüpft er mit Landschaftsstudien in verschiede-
nem Zusammenhang. Ein nachdenklicher Mönch
wird einmal dem verfallenen Prachtschloß der Köni-
gin Johanna gegenübergestellt, ein andermal dem
heiteren Treiben der Fischer und Mädchen am Golf
von Neapel.
Die dreißiger Jahre sind nicht nur der Auswertung
der italienischen Reise gewidmet. Auch die märki-
sche Landschaft findet eine neue Darstellung, und
wie vor der Italienfahrt im Sommer 1828 von der
Ostsee, so bringt er 1855 aus dem Harz manches
schöne Landschaftsbild heim. Wieder ist das Motiv
der Landstraße häufig: mit den Augen des Wande-
rers wird die Natur, „wie sie ist", in frisch beobach-
teten Farben einer fein abgestuften Palette wieder-
gegeben. Als erster malt Blechen die Fabrik in der
Landschaft als beherrschendes Motiv, und zwar nicht
als tote Maschine im Gegensatz zur Natur, sondern
Fabrik und Landschaft in vollkommener Einheit,
unter gleichem Gesetz stehend und gleiche Stimmung
atmend. Mit der Darstellung des Waldes beschäftigt
sich eine ganze Serie von Zeichnungen und Ölskiz-
zen. Ein großes Ölbild entstand in diesem Zusam-
menhang — „Waldweg mit Blick auf Spandau" —
doch ist leider die Frische und der Zauber der Skiz-
zen in dieses „fertige" Werk nicht übergegangen.
Aus der Spätzeit stammt auch die hier abgebildete
Zeichnung von schöner Abgeklärtheit. Sie stellt eine
Kahnfahrt dreier Jäger, die vom Fährmann über-
gesetzt werden, in einem herrschaftlichen Park mit
hohen Bäumen dar (Abb. S. 7). Die lyrische, an Eichen-
dorff erinnernde Stimmung entbehrt jeder Melan-
cholie, frei und heiter ist die Haltung des Blattes.
Es ist von zwei Seiten versucht worden, der Kunst
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tiefen Ausdeuter gefunden. Mönche. Pilger und Rit-
ter, gotische Kirchen und Burgen wurden in immer
neuen Verbindungen mit realistischen Landschafts-
motiven zu Trägern seiner zur Melancholie neigen-
den Innerlichkeit. Eines der bedeutendsten Bilder
der voritalienischen Zeit ist das 1826 datierte Ge-
mälde der Dresdener Galerie, die gotische Ruine mit
dem schlafenden Pilger. Der weitgespannte Innen-
raum läßt durch das zerstörte Gewölbe den Himmel
sehen, in den sich die in Schrägansicht gezeichneten
Pfeiler baumartig recken. Die ausgedehnte Krypta
in Haupt- und Querschiff ist aufgebrochen, es liegen
gleichsam die Wurzeln der Pfeiler bloß, und Wasser
staut sich, das durch seine Spiegelung eine zweite
Unendlichkeit nach unten eröffnet. Der Pilger, der
das Ziel seiner Reise so zerstört vorfand, liegt schla-
fend am heiligen Ort, durch sein Vertrauen den Vor-
gang bejahend: der zerfallende menschliche Bau
wächst in die Natur zurück. Die Birke, etwa an der
Stelle des einstigen Altars im Gemäuer verwurzelt,
bringt einen hellen Lichtschein in den verdämmern-
den Raum.
Blechen wird so zu einem Maler des Schicksalsbildes.
Man darf wohl einmal zwei sehr verschiedene Werke
von ihm unter diesem Gesichtspunkt vergleichen,
denn der Künstler hat in ihnen unter wechselnden
Darstellungsformen sein bleibendes Grund- und
Hauptthema ausgesprochen. Wenn bei einem Werk
von 1827, der Steinzeichnung „Don Juan auf dem
Kirchhof", Schreck und Grauen in der Begegnung
des Lautenspielers mit dem Gespenst an feierlichem
Ort bei Vollmond zum Ausdruck kommt, so ist im
A'ergleich mit dem „Blitz" (siehe Jahrgang 1950/51,
Augustheft), einem etwa sechs Jahre später entstan-
denen Gemälde (verbrannt 1951), der weite Abstand
von dem frühen zum späten Blechen erkennbar, und
die in wenigen Jahren durchmessene glückliche Ent-
wicklung von Theatralik zu künstlerischer Reife
wird deutlich. Denn nun, in dem „Blitz", wurde eine
Naturerscheinung selbst zum Symbol, deren groß-
artiges Färb-, Licht- und Formbild wie eine Begleit-
musik zu dem unbegreiflichen Virken des Schick-
sals anmutet. Das von wenigen so gut beobachtete
und nie gemalte Einschlagen eines Blitzes in einen
Baum ist als Phänomen so eindrucksvoll, daß seine
Auswirkung, der Tod des Fuhrmanns, fast unwich-
tig daneben erscheint.
Auch eine reine Landschaft kann mit Stimmungen
dieser Art erfüllt sein, zum Beispiel bei dem wohl
1855 im Harz entstandenen Bilde „Galgenberg bei
Gewitter" (Abb. S. 4).
Seinem italienischen Jahr (Herbst 1828 bis Herbst
1829) verdankt Blechen den freieren Blick in die
Natur, die Hinwendung zur Gegenständlichkeit der
Landschaft und des Menschen, deren Erscheinung
nun nicht mehr eigenwillig überformt wird. Er be-
müht sich nicht mehr, eine nüchtern gesehene reale
Welt ins geistige Reich des Romantischen zu über-
tragen und zur Kunst zu erheben, sondern die Welt
trägt nun selbst für ihn schon so viel große Form
in sich, daß ihre Darstellung genügt.
In zahllosen Bleistift- und Sepiablättern hat Blechen
seine Reiseeindrücke sich und uns überliefert. Um
das farbige Bild festzuhalten, benutzt er zunächst
Wasserfarben (Pompeji, Pästum), dann aber vorwie-
gend Ölfarbe, und schafft, seiner rastlosen Aufnahme-
bereitschaft folgend, vielleicht auch genötigt durch
die Eile der Reise, die für seine Kunst bezeichnen-
den Ölskizzen, die ihm dann als Grundlage für die
nach der Rückkehr in Berlin entstehenden großen
Gemälde dienen. Diese Skizzen werden häufig in
sehr kleinem Maßstab durchgeführt und enthalten
dennoch bereits alle Elemente des großen Bildes.
Als Malgrund wird sowohl für die Farbskizzen als
auch zuweilen für die endgültige Fassung ein toniges
Papier, braun, gelb oder rosa, verwendet. Ein Werk
dieser Art ist das von Blechen wiederholt gemalte
Bildchen „Marine von Atrani" (Abb. S. 2). Ble-
chens italienische Landschaften unterscheiden sich
von den prunkhaften Veduten des achtzehnten Jahr-
hunderts ebenso wie von den Ideallandschaften seiner
Zeitgenossen. Er wollte nicht das übliche Panorama
geben, sondern als subjektiver Beobachter, von sei-
nem Standpunkt am Wege aus, das Wesentliche er-
fassen oder einen scheinbar unbedeutenden Land-
schaftsausschnitt als gültiges Beispiel südlicher Land-
schaft herausheben. Das Naturleben des Waldes, des-
sen Wildheit und Einsamkeit in frühen Bildern
durch Kobolde und Klausner gesteigert wurde, erhält
nun als Staffage Mönche in stillem Gespräch oder
badende Mädchen (Park von Terni. s. farbiges Bild).
Die wechselnde Verbindung der Grundmotive ist be-
zeichnend für die Arbeitsweise Blechens. Figürliches
verknüpft er mit Landschaftsstudien in verschiede-
nem Zusammenhang. Ein nachdenklicher Mönch
wird einmal dem verfallenen Prachtschloß der Köni-
gin Johanna gegenübergestellt, ein andermal dem
heiteren Treiben der Fischer und Mädchen am Golf
von Neapel.
Die dreißiger Jahre sind nicht nur der Auswertung
der italienischen Reise gewidmet. Auch die märki-
sche Landschaft findet eine neue Darstellung, und
wie vor der Italienfahrt im Sommer 1828 von der
Ostsee, so bringt er 1855 aus dem Harz manches
schöne Landschaftsbild heim. Wieder ist das Motiv
der Landstraße häufig: mit den Augen des Wande-
rers wird die Natur, „wie sie ist", in frisch beobach-
teten Farben einer fein abgestuften Palette wieder-
gegeben. Als erster malt Blechen die Fabrik in der
Landschaft als beherrschendes Motiv, und zwar nicht
als tote Maschine im Gegensatz zur Natur, sondern
Fabrik und Landschaft in vollkommener Einheit,
unter gleichem Gesetz stehend und gleiche Stimmung
atmend. Mit der Darstellung des Waldes beschäftigt
sich eine ganze Serie von Zeichnungen und Ölskiz-
zen. Ein großes Ölbild entstand in diesem Zusam-
menhang — „Waldweg mit Blick auf Spandau" —
doch ist leider die Frische und der Zauber der Skiz-
zen in dieses „fertige" Werk nicht übergegangen.
Aus der Spätzeit stammt auch die hier abgebildete
Zeichnung von schöner Abgeklärtheit. Sie stellt eine
Kahnfahrt dreier Jäger, die vom Fährmann über-
gesetzt werden, in einem herrschaftlichen Park mit
hohen Bäumen dar (Abb. S. 7). Die lyrische, an Eichen-
dorff erinnernde Stimmung entbehrt jeder Melan-
cholie, frei und heiter ist die Haltung des Blattes.
Es ist von zwei Seiten versucht worden, der Kunst
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