Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

DOI Artikel:
Rhodische Landschaften: Zeichnungen von Otto Völckers, München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0454

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Otto Völckers. Rhodos. Blick vom Monte Fileremo nach Süden

Rhodische Landschaften. Zeichnungen von Otto Völckers, München

Die Griechen, die für alle Dinge der sichtbaren und
unsichtbaren Welt entweder eine gescheite Erklä-
rung oder aber ein hübsches Märchen zur Hand hat-
ten, wußten über Rhodos zu erzählen, daß diese ge-
segnete Insel einst auf Geheiß des Sonnengottes
Helios aus der Tiefe der purpurnen Salzflut empor-
gestiegen und seither der erklärte Liebling des Got-
tes geblieben sei. Und das muß wahr sein, denn noch
heute lächelt Helios unermüdlich über dieser seiner
persönlichen Schöpfung, und in Sommerszeiten lacht
er sogar ganz gewaltig. Selbst die nüchterne Stati-
stik unserer angeblich ganz entgötterten Welt — an-
geblich!, denn wer ernstlich Götter sucht, findet
überall welche —, selbst die Statistik muß erklären:
auf Rhodos vergeht kein Tag des Jahres ohne Son-
nenschein.

Das also ist das erste, was die rhodische und ganz
allgemein die ägäische Landschaft vor so vielen
andern auszeichnet: die Sonne. Das zweite ist: das
Meer, ein Spiegel von zuweilen unwahrscheinlicher
Bläue, und der Wind, der den Spiegel furcht und
rippt und mattschleift, derselbe Wind, der auch an
heißen Tagen abendliche Kühlung und nächtlichen
Schlaf spendet.

Aber auch die Götter geben nichts umsonst. Spenden
sie Sonne aus vollen Händen, so geizen sie mit dem
andern Lebensspender, dem Wasser, auf vielen klei-

neren Inseln so sehr, daß im Sommer die Zisterne
den laufenden Brunnen ersetzen muß. Und mit dem
Wasser fehlt der Wald. Unter den Hunderten ägä-
ischer Inseln und Inselchen gibt es viele, die nicht
einen einzigen Baum tragen, und dort, wo es, wie
auf Rhodos, Bäume in größerer Zahl und Fülle gibt,
da schmiegen sie sich in die schmalen Talflächen und
in die Schluchten, in denen wenigstens einige Monate
lang eine bescheidene Wasserader p-alst.Nur der hohe
Monte Profeta auf Rhodos trägt einen prachtvollen
Schopf alter Kiefern und Pinien, die von den Johan-
niterrittern als mittelalterlichen Besitzern ange-
pflanzt und seitdem von ihren Nachfolgern, einst
den Türken, heute den Italienern, liebevoll gehegt
worden sind. Sonst sind alle Höhen kahl, höchstens
mit kurzer harter Grasnarbe bedeckt, die im Sommer
rostgelb verbrennt.

Aber damit kommen wir wieder auf die Habenseite:
mit dem Wald fehlt auch die hohe Luftfeuchtigkeit,
die unsere heimischen Fernblicke meist verschleiert.
Und zu diesem Dritten kommt endlich das Vierte: es
fehlt der Staub, es fehlt die häßlich gelbbraungraue
bis schmutzigrötliche Dunstschicht, die den Horizont
unserer zivilisierten und gewerbfleißigen nordeuro-
päischen Welt immer höher umlagert. Deshalb ge-
hört zu den tiefsten Eindrücken des mittelmeerischen
Südostens, zu dem auch die dalmatinische Inselwelt

238
 
Annotationen