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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Christoffel, Ulrich: Zu den Bildnern von Josef Pilartz
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Söllinger, Ernst: Kunstgestaltung und Sporterlebnis, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0453

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der Tannen zu verfolgen, und es findet seine Befrie-
digung darin, in das einfache Thema der Waagrech-
ten und Senkrechten die reichste Maserung unauf-
fällig eingeordnet zu sehen. Josef Pilartz weiß das
Lied von der bayerischen Landschaft auf viele Töne
zu stimmen. Mit jedem Bilde wechseln die Szenerien,
und innerhalb des ähnlichen Bildes geschieht ein er-
staunlicher Wandel der Einzelheiten, der Verteilung
der Motive, der Belebung der Bäume und ihrer Um-
rißfigur und der Silhouettierung der Bergkette.
Diese Landschaften sind bestimmt, nur aus sich sel-
ber zu wirken, aber wo sie nebeneinander erscheinen,
verstärkt sich ihr Klang durch die Übereinstimmung
der Tonlage bei variierender Führung der Melodie.
Die erquickende Müdigkeit, die das Land atmet, fin-
det beim Künstler ein entgegenkommendes Verstehen.
Das Ruhende der Bilder, in denen nie eine mensch-
liche Figur erscheint, ist der Ausdruck einer sich sät-

tigenden Formkraft. Der Waldsee ist darin ein be-
sonders charakteristisches Werk. Die Weite sammelt
sich in dem einsamen See, der von Tannen umrahmt
in einer Senke ruht. Die Wolken und der blaue Him-
mel spiegeln sich darin, während die Berge den Blick
in die Ferne ziehen. In seiner an Karl Haider er-
innernden, aber doch ganz persönlichen Art weiß
Josef Pilartz die Gestalt der bayerischen Landschaft
zu erfassen, und es eignet ihm dabei eine Meister-
lichkeit der Zeichnung, in der sich altes Erbe mit dem
heutigen gegenwärtigen Formverlangen verbindet.
Was der Maler aus seiner handwerklichen Schulung
an Form, Linie, Ornament im Bilde faßbar macht,
belebt sich durch eine Empfindung, die im Wirk-
lichen eine höhere Erfüllung des Vorgestellten sucht
und einem Stil zustrebt, der, wie die Kunst, auch das
Leben läutern möchte.

Kunstgestaltung und Sporterlebnis (Fortsetzung von S. 232)

übrigen 3 Seiten vergleichend studieren zu können. Hier
handelt es sich also in der Tat um eine neue Betrachtungs-
weisel

Als Filmschaffender übersehe ich, daß den Aufnahmen,
die bei plastischer Beleuchtung und ruhigem Hintergrund
herzustellen wären, Schwierigkeiten nicht im Wege stehen.
Die Zeitlupenaufnahmen könnten auf alle für die künst-
lerische Gestaltung in Betracht kommenden Bewegungen
ausgedehnt werden. Auf die Möglichkeit der Auswertung
durch die Künstler, die Kunstakademien usw. soll in die-
sem Rahmen nicht weiter eingegangen werden.
Wer sich die Mühe macht, meinen Überlegungen einmal
nachzugehen, wird zu der Feststellung gelangen, daß in
der hier vorgeschlagenen Darstellung den Künstlern ein
lehrreiches Studien- und Anschauungsmaterial erschlossen
werden könnte. Den Kunstschaffenden wäre es hierdurch
möglich, in beliebiger Wiederholung (die schon in der
Kopie berücksichtigt werden kann) sich in die schönsten
Bewegungsabläufe des Sports einzufühlen und die frucht-
baren Momente aus der Bewegung heraus sinnlich wahr-
zunehmen. Dadurch, daß sich die Zeitlupenaufnahmen
aber auch in jedem gewünschten Augenblick anhalten
und studieren lassen, man also eine ungeheure Fülle von
Vergleichen anstellen kann, könnte sich die künstlerische
und schöpferische Gestaltungskraft weitestgehend entfal-
ten. Die Absicht, für die Aufnahmen nur Könner heran-
zuziehen, die die Bewegung vollendet beherrschen, könnte
die Künstler mancher Sorge entheben und schlösse falsche
Anregungen von vornherein aus. Dem Auge des KünsÜers
böte sich durch das von allen Seiten gleichzeitig zu über-
schauende Motiv eine Fundgrube für das Studium der Ge-
samtwirkung und Raumkomposition. Er könnte z. B. mit
einem Blick übersehen, welche Bewegungen sich für Frei-
plastiken eigneten und welche, da sie nur von einer Seite
aus gut wirken, nur als Relief in Frage kämen.

Trotz der Möglichkeiten, die sich für den Künstler aus
dem Studium eines derartigen Anschauungsmaterials er-
geben, bin ich mir wohl bewußt, daß dieses für das künst-
lerische Schaffen nur ein Hüfsmittel sein und bleiben
kann, denn der Bildhauer darf nicht nur schauen, er muß
sich auch in das Bildwerk hineinleben, um es aus dem
Körpergefühl, also von innen heraus, mit seiner Phanta-
sie zu durchdringen und zu formen. Das Studium der Be-
wegungen an Hand der Zeitlupenaufnahmen dürfte die
Beobachtungen am lebenden Objekt und das Hineinleben
sinnvoll ergänzen. Jeder wahre Künstler, der danach
strebt, etwas Gutes, Bleibendes und Seiendes zu schaffen,
wird fühlen, wie weit er diese neue Betrachtungsweise be-
rücksichtigen darf.

Noch erwarten wir die Bildhauer draußen auf dem Sport-
feld, damit sie sich zuerst einmal an der Lebendigkeit des
Sports satt trinken. Wir wissen und fühlen, daß die Kunst-
schaffenden an der Millionenbewegung des Kulturgutes
„Sport", dessen Reichtum an schöngeformten Körpern und
Fülle von harmonischen und ästhetischen Bewegungen,
die ihnen eine unerschöpfliche Quelle von Anregungen
bieten, nicht vorübergehen können. Wir erwarten sie, um
ihnen bei der Wahl von Modellen oder beim Vorführen
von Bewegungsabläufen, an denen sie besonders interes-
siert sind, behilflich zu sein. In all unserem Helfenwollen
erkennen wir nichts anderes als eine nationale Pflicht.
Man wird uns verstehen, wenn wir uns für das unser Ge-
biet berührende Kunstschaffen sozusagen mitverantwort-
lich fühlen. Mit unseren Wünschen, Anregungen und For-
derungen wollen wir nichts anderes bezwecken, als daß es
den Künstlern gelingen möchte, aus unserem großen Er-
lebnis der Leibesübungen das Beste für sich und ihre
Kunst herauszuholen und damit dem Sport und der Lei-
beserziehung die rechte Weihe zu geben!

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