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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Geiger, Willi: Das Fresco
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0061

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Willi Geiger. Fresko an einer Kaserne in Kempten

Das Fresko. Von Willi Geiger

Für den Maler, der gewohnt ist. sich mit den Pro-
hlemen der Farbe auf der Leinwand auseinanderzu-
setzen, hatte das Fresko von jeher starken Anreiz.
Neue, auf der Palette längst überwundene Schwie-
rigkeiten erstehen und schaffen hohe Spannung. Man
sieht den Vorbereitungen wie einem Abenteuer ent-
gegen. Riesenflächen laden zu hohem Flug ein. der
freilich zunächst wieder durch die Enge des Gerüstes
eingedämmt wird. Mit wachsendem Interesse nimmt
man alle die Bindungen hin, die sich aus dem Hand-
werklichen ergeben.

Man kennt die zwei Hauptmöglichkeiten auf dem
Gebiete der Wandmalerei: die Weiterführung der
architektonischen Gliederung durch die Farbe, die
Vortäuschung des Raumes mittels Perspektive, die
auf der Wand eine phantastische Wirkung erreichen
kann, oder man überzieht die vom Bauherrn ge-
gebene Fläche mit einer dem Zweck des Gebäudes
zugewandten Bildkomposition. Wer, wie es heute
militärische und andere öffentliche Gebäude so häu-

fig zeigen, durch Anbringung über die Wand ver-
streuter dekorativer Füllungen oder Einzelgruppen
der Komposition ausweicht, geht an der schönsten
Forderung vorbei, stellt den leichten Erfolg über
das Wagnis. Das Fresko erlaubt es, weit auszuholen:
es ist verlockend, den großen Raum zu bewältigen,
gegen Für und Fenster so anzurennen, daß deren
Einschnitte dem Beschauer des Bildes nicht mehr
störend ins Bewußtsein treten. Die Komposition muß
so gehalten sein, daß der Rhythmus des Bildwerkes
durch jene Einbrüche keinerlei Unterbrechung er-
fährt. Man wird alle heftigen Kontraste der Farbe,
alle scharfen Gegensätze von Hell und Dunkel ver-
meiden, damit der Eindruck der Fläche gewahrt
und die Illusion des Raumes möglichst vermie-
den wird. Betonte Körperlichkeit treibt der dritten
Dimension zu, sprengt die Fläche. Je mehr der Maler-
in dieser verweilt, desto erfolgreicher nähert er sich
der Lösung einer Aufgabe, die in ihrer Vollendung
der Wirkung eines Gobelins seltsam nahe steht.

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