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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Christoffel, Ulrich: Heinrich von Zügel, ein Neunziger
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0056

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Heinrich von Zügel. Ziegenböcke

Heinrich von Zügel, ein Neunziger. Von Ulrich Christoffel

Der Xame Zügel ist weit über München hinaus
längst zu einem Begriff geworden, der eine be-
stimmte Auffassung von Tiermalerei, ein maleri-
sches Zusammensehen von Tier und Landschaft, ein
lebensvolles Erfassen der Natur aus den Quellen des
Seins und der Erscheinung in sich schließt. Die
Münchner Malerei der letzten fünfzig Jahre, das
Gedeihen der Akademie und der Sezession sind ohne
den Namen Zügel nicht zu denken, und man kann
heute kaum durch eine Ausstellung gehen, ohne dem
Einfluß Zügels auf eine breite Schule auf Schritt
und Tritt zu begegnen. Neben den Kobell, Adam,
Voltz, Braith, Baisch, Gebler wird Heinrich Zügel
immer als der Vertreter und Erneuerer der Münch-
ner Tiermalerei genannt werden.
Heinrich Zügel wurde am 22. Oktober 1850 in
Murrhardt in Württemberg als Sohn eines Schaf-
händlers geboren. Lange ehe er mit achtzehn Jahren
die Kunstschule von Stuttgart aufsuchte, zeichnete
er die Schafe, die zum väterlichen Hof gehörten und
mit denen er als völlig vertrauter Freund aufwuchs.
Schon den ersten Bildern Zügels, dem Schafmarkt
1872 oder der Schafwäsche 1875, spürte man es an,
daß er die Tiere nicht nur aus künstlerischem Inter-
esse, sondern aus menschlicher Liebe zum Geschöpf-
lichen und mit dem Verständnis, das nur aus dieser

Liebe erwachsen kann, betrachtet hat. Die \7ertraut-
heit des Malers mit der Natur vertiefte sich noch
darin, daß er Zeit seines Lebens ein trefflicher Jäger
war. Schon 1869 kam Zügel nach München, wo da-
mals die Diezschule die jüngern Talente anlockte,
aber der junge Schüler war schon ein angehender
Meister, dessen erste Bilder Beachtung fanden und
gekauft wurden. Wenn in frühern Werken wie der
Hirtin mit Schafen oder dem „Liebling", einer Hir-
tin mit einem Lämmlein im Schoß, die genrehafte
Anekdote, wie sie in der Blütezeit der Genremalerei
auch das Tierbild beherrschte, gesucht wurde, ge-
hörte es bald zum entscheidenden Verdienst Zügels,
daß er das Illustrative überwinden konnte und zu
einer rein farbigen Betrachtung der Landschaft mit
Tieren gelangte. Im Jahre 1894 erhielt Zügel einen
Ruf an die Kunstakademie in Karlsruhe, dem er auch
Folge leistete, aber schon nach einem Jahr kehrte er
nach München zurück, weil die Akademie ihn zum
Leiter der Meisterklasse für Tiermalerei ernannt
hatte. Der kurze Aufenthalt in Karlsruhe hatte doch
die eine Folge, daß der Maler die farbige Atmo-
sphäre des Oberrheins entdeckte, daß er in der wei-
chern Luft empfindlich wurde für den bläulichen
Schimmer des Wassers, für die malerischen Klänge
des Lichtes, in dem sich Erde, Bäume, Tiere und

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