Gottfried Schadow. Szene aus der Belagerung von Breslau
Studie zu einem Relief cm Tauenfzien-Denkmal in Breslau. Kreidezeichnung
macht; eine Mode, wie sie auf dem bezaubernden
Blatt der Friederike Unger deutlicher in Erscheinung
tritt. — Die klare, bestimmte und mit Leben gefüllte
Form dieser Zeichnungen wäre ohne die Schulung
des Plastikers kaum denkbar. Nur ein die Form im
Raum so streng durchfühlender Plastiker konnte
diese absolute Sicherheit erreichen.
Das Bildnis der Madam Fleck-Schröck ist in Kreide
ausgeführt. Einige Stellen, wie die scharfen Ränder
der Augen und Lippen oder manche Haarsträhne
sind mit dem Bleistift noch herausgehoben. Kreide
ist das Lieblingsmaterial des Zeichners. Es folgen
dann Federzeichnungen, und ab und zu hat er auch
mit Bleistift gearbeitet. Ein Beispiel gibt „Das Fen-
ster in Wunsdorf'1. Mit hartem, spitzem Stift ist hier
Punkt für Punkt und Strich für Strich ein Abbild
der Natur gegeben, gesehen mit scharfen, überschar-
fen Augen. Ein seltenes Blatt, weil es eine Land-
schaft darstellt.
Um wieviel freier, leichter, schwebender ist der
„Mädchenkopf" in Tusche! Die Sicherheit, mit der
der Pinsel voller Empfindung über die Fläche glei-
tet, läßt an die Pinselführung ostasiatischer Meister
denken.
Wenn es sich um antikisierende Motive handelt, wie
bei der Musengestalt für den Vorhang des Schau-
spielhauses, schließt Schadow sich antiken Vorbildern
an. In wundervoll präzisen Linien ist die Figur ge-
zeichnet, und mit klar und edel geschwungenen Kur-
ven die Gestalt umschrieben. Doch ist er kein Sklave
der klassizistischen Theorie, sondern sie dient ihm
als Ausdrucksmittel für moderne Empfindungen.
Man hat Schadow den Begründer des norddeut-
schen Klassizismus genannt; er ist zugleich aber ein
wesentlicher Vater der Berliner Wirklichkeitskunst.
Ein „Realist" also? Gewiß. Einer, der nichts erfin-
den, der nicht das „Bedeutende", sondern die Sache
darstellen will. Aber ein Realist, der die dritte Di-
mension hat.
Schadow, der unbestechliche Realist, blieb ebenso nah'
wie er geistig war. Und über aller Vielfältigkeit und
künstlerischem Reichtum stand ein strenges Zeichen:
das der nie nachlassenden Arbeit. Genialität war
nicht Eitelkeit, sondern Ungenügsamkeit. Und Scha-
dows Menschlichkeit wie seine Zeichenkunst blieben
aus Geist und Empfindung gemischt.
Gezeichnet hat der Alte bis in die letzten Jahre hin-
ein. Den Stift legte er erst aus den Händen, als der
graue Star ihm die Augen blendete. „In doloribus
fecit'1 steht auf einigen Blättern der letzten Zeit.
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Studie zu einem Relief cm Tauenfzien-Denkmal in Breslau. Kreidezeichnung
macht; eine Mode, wie sie auf dem bezaubernden
Blatt der Friederike Unger deutlicher in Erscheinung
tritt. — Die klare, bestimmte und mit Leben gefüllte
Form dieser Zeichnungen wäre ohne die Schulung
des Plastikers kaum denkbar. Nur ein die Form im
Raum so streng durchfühlender Plastiker konnte
diese absolute Sicherheit erreichen.
Das Bildnis der Madam Fleck-Schröck ist in Kreide
ausgeführt. Einige Stellen, wie die scharfen Ränder
der Augen und Lippen oder manche Haarsträhne
sind mit dem Bleistift noch herausgehoben. Kreide
ist das Lieblingsmaterial des Zeichners. Es folgen
dann Federzeichnungen, und ab und zu hat er auch
mit Bleistift gearbeitet. Ein Beispiel gibt „Das Fen-
ster in Wunsdorf'1. Mit hartem, spitzem Stift ist hier
Punkt für Punkt und Strich für Strich ein Abbild
der Natur gegeben, gesehen mit scharfen, überschar-
fen Augen. Ein seltenes Blatt, weil es eine Land-
schaft darstellt.
Um wieviel freier, leichter, schwebender ist der
„Mädchenkopf" in Tusche! Die Sicherheit, mit der
der Pinsel voller Empfindung über die Fläche glei-
tet, läßt an die Pinselführung ostasiatischer Meister
denken.
Wenn es sich um antikisierende Motive handelt, wie
bei der Musengestalt für den Vorhang des Schau-
spielhauses, schließt Schadow sich antiken Vorbildern
an. In wundervoll präzisen Linien ist die Figur ge-
zeichnet, und mit klar und edel geschwungenen Kur-
ven die Gestalt umschrieben. Doch ist er kein Sklave
der klassizistischen Theorie, sondern sie dient ihm
als Ausdrucksmittel für moderne Empfindungen.
Man hat Schadow den Begründer des norddeut-
schen Klassizismus genannt; er ist zugleich aber ein
wesentlicher Vater der Berliner Wirklichkeitskunst.
Ein „Realist" also? Gewiß. Einer, der nichts erfin-
den, der nicht das „Bedeutende", sondern die Sache
darstellen will. Aber ein Realist, der die dritte Di-
mension hat.
Schadow, der unbestechliche Realist, blieb ebenso nah'
wie er geistig war. Und über aller Vielfältigkeit und
künstlerischem Reichtum stand ein strenges Zeichen:
das der nie nachlassenden Arbeit. Genialität war
nicht Eitelkeit, sondern Ungenügsamkeit. Und Scha-
dows Menschlichkeit wie seine Zeichenkunst blieben
aus Geist und Empfindung gemischt.
Gezeichnet hat der Alte bis in die letzten Jahre hin-
ein. Den Stift legte er erst aus den Händen, als der
graue Star ihm die Augen blendete. „In doloribus
fecit'1 steht auf einigen Blättern der letzten Zeit.
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