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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Heise, Carl Georg: Zu neueren Arbeiten von Gerhard Marcks
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0313

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Foto Hildegard Heise, Berlin

Abb. 5. G. Mareks. Mädchen im Mantel

Ben Akte des Künstlers Fähigkeit zur Bemeisterung
der reinen menschlichen Gestalt ausgewiesen. Immer
wieder aber kehrt er zur Gewandfigur zurück. Ein
kleines Figürchen (Abb. 5) steht in seiner Werkstatt
und soll demnächst zu monumentaler Gestalt erhoben
werden: ein Mädchen, das einen Mantel beiderseits
mit den Händen ergreift und wie schützend vor sich
hält. Will sie ihn um sich ziehen, schlägt sie ihn auf?
Es ist wichtig, sich klar zu machen, daß die besondere
künstlerische Formengebung der Figur auf solche
Fragestellung die Antwort verweigert. Kein zufälli-
ger Vorgang des täglichen Lebens ist geschildert (ob-
gleich auch hier ein solcher die erste Anregung gab),
das Gewand ist nicht Handlungs-, sondern Gefühls-
träger, es versinnlicht die Beschlossenheit des Mäd-
chens im eigensten Bereich. Die Frühgestalt vor end-
gültiger Weltoffenheit tritt hier in lieblich-herber
Erscheinung hervor. Wieder ist es ein widerspruchs-
volles, ein von einem gefühlsmäßigen Gegensatzpaar
her bewegtes Motiv, das in der endgültigen plasti-
schen Form den Spannungsreichtum des Lebendigen
zu schlackenloser Klarheit auflöst, das Lichte und das
Dumpfe, Jubel und Schwermut fast wie ein Volkslied
in schlichten, glockenklarem Ton erklingen läßt.
Wenn man auch sagen kann, daß Mareks heute seine
besondere, nur ihm eigene Domäne gefunden hat in

der sinnhaltigen Durchbildung der menschlichen Fi-
gur, so ist sein Künstlertum doch keineswegs begrenzt
und für alle Zeiten festgelegt auf dies eine Gebiet.
Kein großer Künstler ist Spezialist. Als er in jünge-
ren Jahren auf den Ausstellungen der Berliner Sezes-
sion zuerst hervortrat — mit, wie er selbst heute
meint, vorzeitig-gefährlichem Erfolg ■—, da schien er
ein solcher Spezialist zu sein, ein Tierbildner nämlich,
von auf fallender Sicherheit der Beobachtung, geschult
am Beispiel des verehrten Meisters August Gaul. Un-
ter den wenigen Werken seiner Hand, die öffentliche
Aufstellung gefunden haben, befinden sich auch zwei
Tiergestalten, die mächtigen ruhenden Figuren von
Kuh und Hengst auf dem Brückenkopf der Giebichen-
steiner Brücke in Halle. Gleichsam als Entspannung
in den Pausen zwischen den großen Arbeiten entsteht
auch heute noch hin und wieder eine Tierplastik, und es
wäre eine lohnende Aufgabe, zu verfolgen, wie ihre
plastische Form von Etappe zu Etappe mitgewachsen
ist und so auch der nur scheinbaren Nebenarbeit volle
künstlerische Gültigkeit zukommt. Der Kranich (Ab-
bildung 6) ist eine Arbeit der letzten Jahre, und was
sie vor den Jugendwerken auszeichnet, das ist die
Vereinigung von Beobachtungsschärfe und verein-
fachender Monumentalität. Auch hier zeigt sich in der
schlichten Selbstverständlichkeit des Ausreifens und
Zusammenwachsens polarer Möglichkeiten der Ge-
staltung der hohe Grad gewonnener Meisterschaft.

Foto Schiich, Charlottenburg

Abb. 6. G. Mareks. Kranich

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