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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Rüdiger, Wilhelm: Der Bühnenbildner Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0356

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Zwei Figurinen aus der „Butterfly"

wobei die Frage, wer von beiden „Melodie" und wer
„Begleitung" zu spielen habe, eindeutig zugunsten
des agierenden Menschen entschieden war.
Wir sind im gegenwärtigen Zeitpunkt in unserer
modernen Bühnenkunst oft eher durch die gegen-
teilige Auffassung gefährdet, nachdem die gläserne
Scheidewand gefallen ist und Mensch und Bild
räumlich miteinander verschmolzen worden sind.
Dabei wird der Mensch, der Schauspieler, der Sänger,
der eigentliche Verkünder und Träger des Kunstwerks
und seines Geistes, im Zuge der immer größeren
Gliederung und Bereicherung der Bühnenraumwelt
in manchen Inszenierungen mehr und mehr über-
schwemmt von der „Begleitung". Die überreiche
szenische Instrumentierung und Harmonisierung
überwuchert, erstickt und entstellt die eigentliche,
ewige „Melodie" des Kunstwerks, die leuchtend auf-
klingen zu lassen, der höchste künstlerische Ehrgeiz
jeder Inszenierung zu sein hätte, gleichgültig, ob
sie sich dabei reicher oder sparsamer Ausstattungs-
mittel bedient.

Insofern war jene klare Trennung zwischen Akteur
und Prospekt wie zwischen Hauptsache und Neben-
sache oder wie zwischen Muster und Grund von einer
zwar primitiven, aber fast beneidenswerten eindeu-
tigen künstlerischen Klarheit, die bei der Polyphonie
der modernen Szene nur der sicherste, überlegenste
Geschmack wieder zu erreichen vermag; ein Ge-

schmack, der alles Detail einzustufen weiß in die
Wertordnung der Szene, in der obenan stets wieder
der Mensch als das bewegende Prinzip steht.
Dem gleichen Gesetz des Kunstwerks, dem der Mensch
als Mund der Dichtung folgt, hat sich auch der Spiel-
raum anzupassen. Der gleiche immanent wirkende
Motor — das Geschehen der Handlung -— treibt und
bewegt beide, gibt beiden, dem Menschen und der
Szene, den Atem. Denn das moderne „Bühnenbild" —-
wenn wir der Kürze halber bei diesem Verabredungs-
ausdruck bleiben wollen — ist kein starres Gegen-
über mehr, vielmehr ist es ein Wandelbares, ein
Wandlungsfähiges, geschmeidig sich dem atmenden
Leib des Bühnengeschehens anpassend, ist es nicht
mehr nur umfangender Raum oder ausgespannte
andeutende Kulisse für den Vorgang und Fortgang
der Handlung, sondern ist geradezu zum „Mit-
spieler" geworden.

Denn: „das Bühnenbild ist nicht —■ es geschieht".
Dieser Satz von Emil Preetorius stellt in lapidarer
Kürze das Gesetz der modernen Szenenkunst auf,
er bedeutet gleichsam das künstlerisch-schöpferhafte
„Es werde" für alle heutige Bühnenbildnerei, die in
Preetorius nicht nur ihren bedeutendsten Gestalter,
sondern auch ihren ersten geistvollen systematischen
Denker und Theoretiker erhalten hat. In Vorträgen,
Reden und Aufsätzen hat der Künstler hundertfach
mit der ihm eigenen gedanklichen und sprachlichen

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