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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Rüdiger, Wilhelm: Der Bühnenbildner Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0363

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Emil Preetorius. Bühnenbild zu „Don Giovanni"

aus dem dumpfen Dunkel, erhält Farbe und steigert
sich in breiten Bögen anschwellend mehr und mehr
und immer drängender über den machtvoller und be-
freiter rauschenden Wogen des Orchesters bis zu hin-
reißenden Endpunkten. Dank einer immensen Musi-
kalität kann Preetorius die Klaviatur des Lichts, die
er erst zu dieser Vollkommenheit ausgebaut hat, neu-
artig kühn benutzen, so daß doch kein falscher Ton.
der nicht dem Geiste der Musik entspräche, erklingt.
Aus dem Licht wird die Farbe geboren. Die Farbe, die
das andere, vielleicht noch schwierigere Problem der
Bühnengestaltung ist. Die meisten Szenenbilder, die
man zu sehen bekommt, leiden an einer unüberlegten
dissonanzreichen Buntheit, die im Laufe des Ge-
schehens und Beleuchtungswechsels zusammen mit der
Vermischung der kostümierten Akteure (Solisten,
Chöre, Statisten usw.) sich oft geradezu ins Groteske
steigert. Preetorius unterscheidet ordnend stets Büh-
nenraum und Akteure auch im Farbigen wie Grund
und Muster. Das heißt: vor dem farbig neutralerem
Grund steht und bewegt sich, bedeutungsvoll heraus-
gehoben, der Darsteller im farbig intensiverem Ko-
stüm. Leuchtend klingen dann die Gewänder der ver-
schiedenen Handelnden zusammen. Kein wohlfeiler
billiger Akkord, sondern die Farbe — von deren
sinnlich-sittlicher Bedeutung und Aussagekraft Goethe
einmal gesprochen hat — zeugt jedesmal symbolhaft
vom Wesen ihres Trägers.

In welch schimmerndem Wohllaut Preetorius aber

bei einer Massenszene Farben über das Bühnenge-
lände ausschüttet, ist am eindruckvollsten in jenem
Münchener „Lohengrin", der für den „Tag der Deut-
schen Kunst 1958" neu inszeniert wurde, zu erleben,
wo im Zug zum Münster zwischen den blitzenden
Sternen vieler Kerzen ein mildes Wogen weißer,
mattblauer und rosaer Pastelltöne von einer Süße
und Zartheit, wie man sie aus den Bildern des Fra
Angelico kennt, sich über das Steingrau der Burg-
hofsmauern und -treppen ergießt.
Gleichwohl ist diese Harmonie und Schönheit nicht
Selbstzweck, nicht eigenmächtiges Schauspiel und
Farbkonzert für die Augen. Sondern, wie der Strei-
cherglanz um Lohengrin und Elsa im lichten A-Dur
und im herb-zarten B-Dur, so schwingt in diesen
Farbakkorden die ganze keusche, jungfräulich-
schwärmerische Innigkeit der ritterlich-frommen Le-
gende. Die Erinnerung an dieses Farbenbild erweckt
in jedem, der es gesehen hat, wieder und wieder den
Zauber und die Sphärenstimmung der Wagnerschen
Gralsmusik, so wie für den Verfasser beim Anhören
des ..Figaro", dieser in Heiterkeit und Empfindung und
überquellendem Wohllaut getauchten Mozartschen
Partitur, jedesmal von neuem die Vorstellung vom
sandfarbenen Goldglanz eines kühn gerafften, die
halbe Bühne füllenden Vorhangs aufsteigt, der einer
Berliner Inszenierung des „Figaro" durch Emil Pree-
torius im Jahre 1928 den satten, warmschimmern-
den farbigen Grundklang gegeben hatte.

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