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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Rhodische Landschaften: Zeichnungen von Otto Völckers, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0456

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als Vorschule der ägäischen gerechnet werden muß.
etwas, was wir „Kinder des Staubes" in unserer Hei-
mat kaum mehr kennen: die laue sternfunkelnde
Nacht, wo die Sterne makellos klar bis zum Horizont
hinab schimmern und das gespaltene Lichtband der
Milchstraße strahlend von einem Himmelsrand zum
andern reicht.

Sonne und Seeluft, Trockenheit und Staublosigkeit
sind es, die der ägäischen Landschaft die unvergleich-
liche Klarheit und die haarscharfe Umrißlinie
auch der fernsten Bergkuppe, der fernen Nachbar-
inseln und des herüberblauenden kleinasiatischen
Festlands geben. So lockend die Farben dieser Land-
schaft sich auch geben — dort das Meer mit Farben-
spielen zwischen Silber und Indigo (wenn Wolken
darüber laufen), dort das Bergland in fahlen gelb-
lichen und braunen Tönen und mit zartblauen Fer-
nen -— so greift dennoch die Hand zuallererst nach
dem nadelfein gespitzten Stift, und die strenge Klar-
heit aller Formen in Nähe und Weite, die durch
keine wuchernde Pflanzenfülle gemildert und ver-

wischt wird, reizt Auge und Hand zu liebevoller Ver-
senkung in die plastische Formung.
Hier erscheint alles greifbar und alles rein umrissen.
Die Luftperspektive ist nicht aufgehoben, aber sie
wirkt nur so weit, daß alle Umrisse, je ferner desto
feiner, gewissermaßen sublimiert, verdünnt, erschei-
nen. Und der ahnenden Seele geht im Nachschaffen
der Sinn und das Wesen griechischer Plastik und
griechischer Tempelbaukunst auf. Hier rufen Him-
mel und Erde nach der scharf und doch zart und edel
umgrenzten Form und der bei aller Zartheit dennoch
klaren und bestimmten Modellierung. Man lernt ver-
stehen, warum der Abstieg der klassischen griechi-
schen Kunst hauptsächlich in Form einer Vervielfäl-
tigung und immer reicheren Verschlingung der Kon-
turen vor sich gegangen ist und warum man von Im-
pressionismus — der ja in jeder Kunstentwicklung
unausbleiblich ist — erst bei den pompejanischen
Wandmalereien sprechen kann: weit vom Heimat-
land griechischer Kunst und im Schattenreich ge-
schlossener Räume.

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