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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Studien zu dem „Eisenwalzwerk", dem bekannten
Bilde der Nationalgalerie, erfreuen weniger: sie leiden
an dem Aufsuchen zu wunderlicher Stellungen und
Verkürzungen.

Ein Pastell einer Dame mit einem Opernglas an
langem Stil fällt auf, das von 1853 ist. Drei Jahre später
hat er das einzige Ölbild dieser Ausstellung gemalt
die Vorstellung im „Theätre du Gymnase", ein Bild,
das merkwürdigerweise noch nie vorher ausgestellt
worden war.

In den Ankündigungen an die Zeitungen hiess es,
dass Menzel in diesem Bilde, das in den fünfziger Jahren
entstand, bereits das vorweg genommen habe, was später
die Schule des Impessionismus leistete. Das würde ja
sehr interessant sein, weil Menzel, als er in das Alter
gelangt war, in dem man seine Jugendwerke mit Kalt-
blütigkeit beurteilt, zu ebenso auffallenden wie un-
gerechten Urteilen über die Kunstwerke Manets und
Monets gelangte. Jedoch das Bild des Theätre du Gym-
nase hat gar nichts, was an Manet oder Monet erinnern
könnte und die Zeitungsnachrichten sind einfach irrig
gewesen. Wahr ist, dass dies Bild Menzels mit fran-
zösischen Bildern derselben Epoche zusammengeht, man
denkt eher an Delacroix vor dieser Leinwand als an die
Impressionisten. Mit Degas teilt ^das Bild das Sujet:
auch Degas hat oft Theaterszenen dargestellt, bei denen
man im Vordergrund das Orchester mit den Bassgeigen
dunkel sich von der beleuchteten Bühne abheben sieht.
Aber Degas malt die dunklen Vordergründe doch bei
weitem lichtvoller, blonder, sonniger. Wir sehen bei
Menzel bleierne Schwärzen. Auch sind die Beleuchtungs-
effekte auf der Bühne nicht ohne Härten: so ist ein sich
vom Bühnenhintergrund absetzender heller Sessel etwas
schrill gemalt. Bewundernswert ist aber das Zeitkolorit
und ausserdem noch, wie die Schauspieler auf der Bühne
französisch erfasst sind. Besonders der mittlere Komö-
diant, der mit den Händen in der Tasche dasteht, ist
bewundernswert echt dargestellt; schön malerisch die
blaue Toilette der einen Schauspielerin. Das Bild er-
innert wie gesagt, etwa an Delacroix, hinter dem es,
was das Kolorit betrifft, zurückbleibt. Von keinem
Maler ausserhalb Paris ist aber zu jener Zeit etwas auch
nur annähernd so Vorzügliches hervorgebracht worden
und unter den Franzosen sind es nur wenige, die Menzel
übertreffen.

Wie diesem Gemälde eine kulturhistorische Be-
deutung innewohnt, so sieht man auch einige Menzelsche
Zeichnungen aus Bayreuth mit einem Interesse an, das
durchs Gegenständliche gehoben wird. Auf beiden Zeich-
nungen aus Bayreuth sieht man den Meister auf der
Bühne thronen und mit herrischer Geberde eine Probe
dirigieren. Von der hellen Bühnenfernsicht hebt sich
die kleine sitzende Figur Richard Wagners am Regie-
tischchen als Silhouette ab; eine Erinnerung an den
7. August 1875-, wie sie lebendiger nicht gedacht werden
kann.

Von den miniaturmässigen Arbeiten Menzels geben
eine in einem Sopha ruhende lesende Dame und zwei
musizierende Kinder Beispiele.

EINE AUS-
STELLUNG IN
CHICAGO

UNERBAULICHE Dinge haben
in der Ausübung der staat-
lichen Kunstpflege sich neuerdings er-
eignet, von einigen haben die Zei-
tungen bereits Kunde gegeben, von anderen noch nicht.
So ist es noch unbekannt geblieben, dass unsere Kunst,
ausser in St. Louis, auch auf einer Ausstellung in Chicago
hatte figurieren sollen und zwar in der Form, dass hun-
dert unter den besten Bildern der letzten Jahre aus-
gewählt würden. Prof. Kampf sollte die Liste aufstellen.
Er war willens, die hundert besten Bilder zu nehmen,
ohne danach Umschau zu halten, ob sie vordem einmal
in der grossen Ausstellung oder in einer der Secessions-
ausstellungen vorgeführt worden wären. Der Minister
strich ihm indessen von der Liste alle Malernamen, die
der Secession angehörten. Auf die Nötigung hin, in der
Auswahl sich auf solche Bilder zu beschränken, welche
nicht durch die Berührung der berliner Secession ver-
schlechtert worden wären, hat Prof. Kampf seinen Rück-
tritt von dieser Mission vollzogen; das Projekt der
chicagoer Ausstellung ist damit ins Wasser gefallen
und es freut sich allein der Generalkonsul Frankreichs
in Chicago, dem der deutsche Generalkonsul Weber
mit der Idee einer Kunstausstellung glücklich zuvor-
gekommen war.

Was die Ausstellung in St. Louis betrifft, so weiss
man, dass die vom Reichskommissar zusammenberufene
Kommission von bedeutenden Vertretern aller Rich-
tungen beiseite geschoben ist und die „Deutsche Kunst-
genossenschaft" in den Besitz ihrer Gewohnheit zurück-
versetzt wurde, die Anordnung der Kunstwerke in den
Weltausstellungen in schlechter Weise zu vollziehen.
Noch nicht weiss man freilich, dass die Mitglieder der
Kommission noch ohne Nachricht geblieben sind, dass
sie abgesetzt seien und dass die Änderung der Absichten,
die die Reichsregierung mit ihnen hatte, nur aus den
Aufforderungen zur Teilnahme an der Weltausstellung,
die die Kunstgenossenschaft verschickt, gefolgert werden
kann. Man darf den Wunsch hegen, dass sich die guten
Künstler an der Ausstellung in St. Louis nicht beteiligen;
sie laufen Gefahr, durch die Deutsche Kunstgenossen-
schaft schlecht gehängt zu werden. Es ist besser, die
Deutsche Kunstgenossenschaft mit ihrer zu stattlichen
Zahl von Schützlingen allein zu lassen.

Es ist ferner unwidersprochen geblieben, dass die
Absicht bestehen soll, einige der Gruppen der Sieges-
allee auszuwählen, um sie in Gips giessen und in St. Louis
von den Amerikanern bewundern zu lassen. Wir können
falls wirklich dieThatsachen dieser Nachricht entsprechen
sollten, nur der Hoffnung leben, dass auch die Franzosen
einige ihrer neuesten schlechten Arbeiten, etwa das

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