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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Stahl, Fritz: August Gaul
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0103

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der Antike und des Quattrocento der eigentliche
Sinn der Plastik aufging, zögerte er nicht einen
Augenblick, diese Strasse zu verlassen und die
schwere und mühereiche Aufgabe auf sich zu neh-
men, sich einen eigenen Weg zu bahnen.

Sein starkes Talent und eine intensive Arbeit
Hessen ihn schnell zum Ziele gelangen. Gaul hat

AUGUST GAUL, BÄR

die Handwerkergesinnung im besten Sinne. Mit
dem „akademischen" Künstler, der heute der herr-
schende Typus ist, in den Secessionen wie in den
älteren Genossenschaften, mit diesem Künstler, der
den Talentblitz schätzt und die Arbeit verachtet,
der immer auf die „Stimmung" wartet, hat er nichts
gemein, ebensowenig mit dem sogenannten „rleis-
sigen", der in Borniertheit ständig Dasselbe produ-
ziert. Fortwährende Arbeit und Beidersachesein sind
ihm selbstverständlich. Sie sind das Geheimnis
seines schnellen künstlerischen Erfolges.

Was in seinen Werken auf den ersten Blick ver-
blüfft, ist ihre Natürlichkeit und Lebendigkeit. Es
ist die Qualität, die auch Menschen schätzen, die
auf das eigentlich Künstlerische nicht_ eingehen,
und bei der solche Menschen stehen bleiben.

Es ist das aber eine Qualität, die auch Andere
haben. Für den Kenner ist, was bei Gauls Werken
reizt, vielmehr die Umwertung der Natur m Kunst,
die ausdrucksvolle und sachgemässe Behandlung
des Materials. Besonders deutlich wird dieser Vor
zug in der Darstellung des Stofflichen.

Ein famoses Beispiel, um sich das klar zu

machen, ist die „Eule". Das Werk ist im rohen
Guss nicht viel mehr als ein Bronzeklumpen. Nun
kommt der Künstler darüber und schlägt mit einem
Meissel frei verteilte Kerben hinein. Und plötzlich
ist aus dem harten Stück Metall das Gefieder des
Vogels geworden, dessen flaumige Weichheit man
sozusagen bis in die Fingerspitzen fühlt. Man sieht
daneben drei Gänse, deren watschelnder Gang so
fein gegeben ist. Also auch Gefieder. Man em-
pfindet es ganz unmittelbar als steifer und härter.
Wie diese Empfindung erweckt wird, ist freilich
ein Rätsel, man sieht die Mittel nicht, weil hier
das Stoffliche nur durch die blosse Modellierung
der Form ausgedrückt ist. Daneben steht der lau-
fende Strauss, dessen aller plastischen Ruhe so spröde
widerstrebende Form der Künstler so vollkommen
in eine Skulptur gebannt hat. Das gekräuselte Ge-
fieder scheint bei dem windesschnellen Laufe des
Tieres zu wallen. Die Wirkung ist nicht durch
Nachahmung erreicht, sondern — man kann solche
Dinge nur annähernd in Worten ausdrücken —
dadurch, dass der Künstler das Linienspiel der
Kräuselung in dem Material seines Werkes frei
mitmacht.

Aehnliches könnte man an dem glatten Fell
der Hauskatze und dem rauheren der Löwin be-
obachten.

In den Figuren der Vögel ist dann besonders
interessant der Kontrast der harten Teile zu den
Federn, besonders der des Schnabels.

Und doch —• in alledem findet nicht eine

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