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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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und er malt „wildromantische" erzählende Bildchen. Der
dritte endlich verfällt in die Claude'sche Himmelei, die
die Natur nur dann liebt, wenn sie ihren Ausgehstaat
angelegt hat. Es muss unendlich schwer sein als Künst-
ler diesen Strich Erde zu durchwandern und sich dann
Antwort zu geben auf die Frage, was kann ich hier für
meine Kunst herausholen.

Wenn man nun an zwei Dutzend Zeichnungen wahr-
nimmt, dass ein Künstler sich nicht ein einziges Mal
vergriffen hat, in keinem einzigen Fall eine blosse An-
sicht gegeben hat, nie an den Zufälligkeiten des je-
weiligen Tagesbildes hängen blieb, nie auch nur den Ge-
danken aufkommen lässt, — hätte das nicht anders besser
gemacht werden können? wäre bei diesem Motiv nicht
etwa die Ölfarbe, oder dieFeder erst dasjenige gewesen,
was es zur wahren Geltung gebracht hätte?, — so wird man
trotz aller Scheu vor dem Wort, das man sich gern für das
allerletzte aufspart, zu dem Ausdruck „Genie" gedrängt.

Otto Fischer hat uns schon längst daran gewöhnt, bei
ihm stets auf das lauterste Stilgefühl zu rechnen, und
wenn wir von neuem uns wieder wahrhaft erfreuen
können, wie jeder Stift-, jeder Pinselstrich mit unüber-
trefflicher Ausdrucksfähigkeit sitzt, wie auf der ganzen
Fläche nirgends ein überflüssiges, unklar stammelndes
oder gar nichtssagendes Pünktchen zu finden ist, so
setzen wir einen früheren Genuss nur fort, den uns die
bisherigen Werke bereits so oft boten. Eins ist aber
doch noch hinzugekommen, ein berauschend vornehmer
Geschmack in der Farbe.

Die Zeichnungen sind abwechselnd auf blauen, grü-
nen, gelben, roten Papieren geschaffen und man möchte
es gradezu raffiniert nennen, wie die Grundfarbe einer
jeden Zeichnung der Stimmung des Vorwurfs entgegen-
spielt, wenn das Fremdwort angesichts dieser Monumen-
talität nicht unwürdig klänge. An diesen Grundton
schmiegen sich, ergänzend und anregend, einige wenige,
fernere Farbenspuren, die sich zur wunderbaren Harmo-
nie verbinden.

Nur eins kann uns bei diesen schönen Werken ver-
stimmen. Auch sie mahnen uns wieder daran, dass das
Beste nur für wenige Auserwählte existirt. Es kann
einem das Herz abdrücken, dass nicht jedermann von
Geburt aus jene Lauterkeit der Empfindung mitbekommt,
die ihn die Schönheit solcher Werke gleich erkennen
lässt. Aber wer wie Fischer rücksichtslos sich nur einer
reinen Kunst, der Durchbildung eines hehren Stils über-
antwortet und jede von den zahllosen Sensationen des
Tags abweist, der muss wohl einsam bleiben. Ist er
wenigstens alt, wie der herrliche Legros, so blüht ihm
wenn auch nicht verständnisvolle Liebe, so doch
Achtung. Fischer aber ist noch jung. H. W. Singer

*

AUKTION THEWALT.

Im Laufe des November wurde hier die kunstgewerb-
liche Sammlung des verstorbenen Bürgermeisters K. The-
walt versteigert. Vorher präsentierte die würdig arran-

gierte Besichtigungs-Ausstellung im Bürgergesellschafts-
Saale noch einmal den Gesamtschatz: Steingut, Fayence,
Porzellan, deutsche und venetianische Gläser, Geräte aus
Edelmetall und Kupfer-, Bronze-, Holz- und Elfenbein-
skulpturen, Minuteriearbeiten j eglichen Materials, Uhren,
Bestecke, astronomische Instrumente, Textilkunst,
Möbel, Gemälde, Waffen, Plaketten, Medaillen. Dar-
unter kaum ein geringes Stück.

ThewaltsLieblingsepoche war die Renaissance gleich-
viel welchen Landes. Naturgemäss herrschte die kunst-
reiche rheinische Heimat vor und Köln war daher auch
Hauptkäuferin. Sehr hochbemessene Stadtmittel, ver-
mehrt durch eine anonyme 25000-Mark-Stiftung, ver-
waltete Direktor von Falke fachkundigst. Er sicherte dem
Kunstgewerbe-Museum nebst vielem Andern: Eine Sieg-
burger Schnabelkanne von 1591 (4700 M.), 2 kölner
Schnellen mit Sündenfall und Tugendallegorien, erste
Hälfte des 16. Jahrb.. (1220 und 12 50 M.), nürnberger
Fayencekrug mit plastischer Burgdarstellung von 1 5 5:0
(15900 M.), süddeutschen Fayencekrug in Eulengestalt
von 1540 (615-0 M.), Silberschale des Jörg Lang aus dem
Zunftschatz der augsburger Goldschmiedeinnung von
1627, in welcher dem alten Kaiser einst der Ehrentrunk
auf dem Gürzenich kredenzt wurde (12050 M.), kupfer-
getriebenen Apostelkopf aus Köln, 1 8. Jahrh. (4750M.),
eichengeschnitzten gotischen Zahltisch 15. Jahrh.
(6050 M.).

Das Museum Wallraf-Richartz erwarb altrömische
Unica: silberne Gürtelbeschlagstücke (1000 M.) und
eine Bronzestatuette der Göttin Nehalennia (720 M.),
Den anderen rheinischen Städten bot sich Gelegenheit,
die ihnen aus dem Überschuss der düsseldorfer Aus-
stellung zugeflossenen Mittel zu verwerten.

In heissem Ringen trieben die Museumsdirektoren,
Sammler und Händler aus London, Paris und Wien
wie aus allen grösseren deutschen Städten die Preise zu
teils schwindelnder Höhe. Hier einige Proben. Der
mit humorvollen Emaillebildern gezierte Glashumpen
des Studenten Cornelius, um i6"oo, brachte 4400 M.
(Nürnberg, Germ. Mus.), das silberne Vortragekreuz
mit 20 Nielloplatten, Florenz,zweite Hälfte desi 5. Jahrh.
70000 M. (Campe, Hamburg), der spätgotische silberne
Emaillebecher, 15. Jahrh., berühmt als „Thewaltscher
AfFenbecher" durch die Ausstellungen Paris 1900 und
Düsseldorf 1902, nach Falke niederländischer Herkunft,
89000 M. (Seligmann, Paris), nürnberger Deckelpokal
des ChristophSchaub, um 1580,17200 M. (Goldschmidt,
Frankfurt a./M.), blaues goldgemustertes Kelchglas,
um 1500, 3800 M. (Bourgeois, Köln), goldene Taschen-
uhr, 17. Jahrh. 14000 M. (London), eichengetäfeltes
und geschnitztes altkölner Patrizierzimmer mit Sand-
steinkamin 15050 M., Kreuzigung Christi, Gemälde
vom Meister des heisterbacher Altars 2000 M. (Weber,
Hamburg). In welcher Sammlung manches unter irgend
einerDeckadressefortgegangeneStückwiederauftauchen
wird, bleibt abzuwarten. Der Gesamterlös betrug
über 1 100000 M. Albert Lindner.

ZWEITER JAHRGANG, DRITTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 30. NOVEMBER, AUSGABE ANFANG DEZEMBER NEUNZEHNHUNDERTDREI
VERANTWORTLICH FÜR DIE REDAKTION: BRUNO CASSIRER, BERLIN. DRUCK IN DER OFFIZIN VON W. DRUGULIN, LEIPZIG
 
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