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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Lichtwark, Alfred: Der Heidegarten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0189

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ausgenutzt gesehen. Der Grund wird derselbe
sein wie beim Wacholder, für den „englischen
Garten" — den wir jetzt den deutschen nennen
sollten, denn die Karikatur, die wir daraus gemacht
haben, ist den Engländern unbekannt — fehlt
die Möglichkeit, ihn passend einzufügen. Auf den
geraden Beeten des Heidegartens aber wird seine
kuglige Form einen sehr willkommenen Gegensatz
zur hochstrebenden Obeliskenform des Wacholders
bilden. Während seiner Blütezeit wird sein Orange-
gelb den ganzen Garten erleuchten und mit dem
satten Grün des Wacholders einen berückenden
koloristischen Rhythmus abgeben, namentlich, wo
als Abschluss der Perspektive das Weiss von Gitter
oder Bank hinzukommt.

Wacholder und Besenpfriem sind nicht die
einzigen Pflanzen der Haide, bei denen unsere
Gartenkunst sich die Frage nach ihrem schmücken-
den Werte noch nicht gestellt hat. Wer hat jemals
den Vogelbeerbaum oder die Birke dekorativ aus-
genutzt gesehen?

Statt der Wacholder lassen sich zur Betonung
der Ein- und Ausgänge der Wege im Bogen ge-
zogene Geisblatt- oder Brombeerranken verwenden.
Auch die wilde Clematis stellt an den Boden keine
grossen Ansprüche und thut Wunder an üppiger
Entfaltung. Ebenso lassen sich Brombeeren leicht
an Pfählen hochführen und geben dann gute Form
und im Schmuck ihrer weissen Blüten und schwarzen
Beeren obendrein wirkungsvolle Farbenflecke. Inner-
halb des Gartens kann die Brombeere, auf ein festes
Holzgitter gebunden, sehr schöne und dabei nütz-
liche Hecken bilden. Zum Beispiel lässt sich
der freie Platz vor der Thür nach dem Garten,
durch eine hüfthohe Brombeerhecke abgeschlossen,
s° dass nur die Wege offen bleiben, sehr viel
besser ausnutzen, weil die Hecke den Wind bricht.
Ueber die Wege, die von diesem Platze ausgehen,
k'sst sie sich im hohen Bogen führen, der die
Abgeschlossenheit betont.

Da der Garten gross genug ist, verträgt er
sebr gut ein System niedriger, dichter Hecken
um die Flächen. Als Heckenpflanze ist für diesen
Zweck die wilde Stachelbeere, die nicht hoch
wird, nicht geschoren zu werden braucht und
sehr schmackhafte, wenn auch kleine Früchte hat,
gut geeignet. Auch die wilde Himbeere, die
mit demselben Boden zufrieden ist, bildet Hecken
massigen Wuchses und bedarf keiner besonderen
Pflege. Was an Beerenobst wachsen will, muss
willkommen sein, da Aepfel, Birnen, Kirschen

oder Pflaumen nicht ohne Schwierigkeiten ge-
deihen. Das wertvollste Beerenobst giebt die Brom-
beere in ihren unzähligen Arten, ein leider von
unserm Gartenbau sehr vernachlässigter Nutzstrauch.
Es Hesse sich denken, dass der Heidegarten die
Brombeere als Spezialität pflegt und zugleich alle
dekorativen Möglichkeiten, die sie bietet, aus-
nutzt. Sie lässt sich als Laubwand ziehen, als Lauben-
gang, als Hecke (nur als äusserer Abschluss nicht
zu verwenden, der lockenden Früchte wegen) ; man
kann sie an Pfählen hochführen und hat damit ein
Mittel, lange Rhythmen zu bilden; es lässt sich
denken, dass man eine grössere Fläche in Vierecke
teilt, die durch schmale Wege getrennt sind, und in
den Mittelpunkt jedes Vierecks eine Brombeerstaude
pflanzt. Die Schösse, die sich nach allen Seiten aus-
breiten, bilden eine regelmässige Form, die sich
ohne sonderliche Mühe in Ordnung halten lässt,
sodass das ganze Feld trotz tropischer Ueppigkeitsehr
ruhig und gartenmässig wirkt. Dass die Brombeere
mit ihren langen Ranken geeignet ist von Pfahl zu
Pfahl Guirlanden zu bilden, erhöht ihre Verwend-
barkeit im Sinne des formalen Gartenbaus.

Wir können noch gar nicht ahnen, was diese
merkwürdige Pflanze, die schon in der Natur eine
unübersehbare Fülle von Abarten hervorbringt, in
der Hand eines Züchters, der sich ihrer besonders
annimmt, werden kann. Es ist sicher, dass sie
Trauben bilden wird so gross und schwer und
schön anzuschauen wie Weintrauben, und dass sie
durch Kreuzung mit der Himbeere eine unendliche
Abwandlung von Aromen erreichen kann.

Mit den Blumen der Heide verhält es sich nicht
viel anders als mit den Büschen und Ranken.

Unsere verzärtelten Gartenblumen, die viel
Wasser brauchen, kommen im Heidegarten nicht
fort. Aber das Heideland rund umher bringt eine
unendliche Fülle reizvoller Blumen der verschieden-
sten Arten. Es lässt sich für den Heidegarten eine
Flora wirkungsvoller wildwachsender Blütenträger
zusammenstellen, die zehnmal artenreicher ist als die
des durchschnittlichen Stadtgartens. Bei der Ver-
teilung über Feldraine, Sandhänge, Heidestrecken,
Feldhölzer und Thalgründe fällt dieser Reichtum
nicht ohne weiteres ins Auge. Wer sich die Mühe
giebt, den reichen Stoff auf seine Verwendbarkeit
in einer Gartenanlage zu prüfen, wird staunen. Be-
dingung ist nur, dass er die Ausstattung eines
regelmässigen Gartens bildet. Erst auf geraden
Beeten erhält die Pflanze selbständige Bedeutung.
Was draussen am Abhang, am Feldrain auf der

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