Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

DOI Artikel:
Duret, Théodore: Claude Monet und der Impressionismus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0240

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
malen. Damals lernte er die Werke Manets kennen
und fand in ihnen als neues Element die Freilicht-
malerei, die er annahm, um sie dann später in
seiner langen Laufbahn als Landschaftsmaler zu
entwickeln und zu erweitern.

Es war im Frühling 1863, vor Eröffnung des
Salons. Manet stellte bei Martinet, Boulevard des
Italiens, vierzehn Bilder aus, und zwar seine bedeu-
tendsten Werke. Man fand dort „die Musik in den
Tuilerien", den „alten Musiker", das „spanische
Ballet", die „Strassensängerin", „Lola de Valence".
Monet besuchte diese Ausstellung und fühlte sich
tieferschüttert; dieses Wort hörte ich aus seinem
Munde, als er von der Ausstellung sprach, und jener
Besuch sollte ihm seine Laufbahn eröffnen. Heute,
nachdem man seit vierzig Jahren an die Entwick-
lung der Hellmalerei gewöhnt ist, kann man nicht
mehr begreifen, welchen allgemeinen Tadel Manet
sich durch seine neue Malweise zuzog. Noch
■weniger kann man heute würdigen, welch fabel-
hafter Mut dazu gehörte, sich, wie es Monet that,
gleich Manet dem herrschenden Einfluss des Milieus
zu entziehen, und, mit seinem neuen Schönheits-
gesetz, in offenen Kampf zu treten mit der Kunst-
welt, der Kritik und dem Publikum.

Man muss sich nur darüber klar werden, dass
im Jahre 1863 Corot und Courbet noch befehdete
Künstler waren, dass ihre Technik und ihre breite
Malweise nur von der verschwindenden Minorität
verstanden und anerkannt wurde. Die anderen ur-
sprünglich Schaffenden, wie Daumier, Millet, Jong-
kindt wurden vollkommen verkannt oder galten
höchstens als ganz mittelmässige Künstler. Die
Geschichtsmalerei beherrschte damals die Kunst;
das bei ihr angewandte Verfahren galt einzig
als gut und lobenswert. Man schätzte in den
Kreisen der Ateliers und in der Kritik eine tradi-
tionelle Aesthetik; man hielt darauf, ein so-
genanntes Ideal unverändert zu erhalten. Das
Wesen dieses Ideals bestand darin, edle und
würdige Sujets und Gestalten zu wählen, die
Götter der Mythologie, Scenen aus dem klassischen
Altertum, griechische und römische Helden.
Waren Personen aus der Mitwelt darzustellen, so
wurden sie nach den festen Regeln ererbter Tra-
dition geschaffen, die der Phantasie und Laune mög-
lichst wenig Spielraum Hessen. Die von allen streng
eingehaltene Technik bestand in einer steten Ver-
schmelzung von Schatten und Licht, die als fest-
stehende Dinge angesehen wurden, die sich gegen-
seitig ergänzten. Da nun nichts seltener ist als ein

Künstler, der wirklich im Licht malen und eine
wirkliche Helligkeit auf die Leinwand setzen kann,
hatte diese stete Verschmelzung des Schattens und
des sogenannten Lichtes fast alle Künstler dahin
gebracht, überhaupt nur im Schatten zu malen. Die
antiken Gottheiten, die Griechen und Römer, die
Helden aller Zeiten, die die Historienmaler damals
auf die Leinwand warfen, zeigten ganz konventio-
nelle leblose Typen, die in tiefstes Dunkel getaucht
waren. Freudige Farben, strahlendes Licht, die
Frische der freien Luft waren ganz aus der Mal-
kunst verschwunden, Konvention und Schablone
herrschten in den Ateliers.

Da kam Manet und stellte 1863 im Salon des
Refuse's sein „Frühstück auf dem Grase" und 1865
im offiziellen Salon seine „Olympia" aus, er stiess
damit die herkömmliche Aesthetik vor den Kopf
und trat in offenen Kampf gegen die damals von
aller Welt anerkannte Malerei der Geschichte und
des sogenannten Ideals. Gegen die lichtlosen Kunst-
werke jener Epoche zeigte sich in seinen Bildern
ein solcher Glanz, dass sie die Augen der Beschauer
beleidigten und ihnen von abschreckender Roheit
schienen. Statt der Gestalten des Altertums, der
Götter und Göttinnen der Mythologie brachte er
Personen auf seine Leinwand, die noch lebten, die
ihre Kleidung vom Schneider nebenan bezogen
hatten. Statt ihres konventionellen Ideals des
Nackten, das doch nur eine Nachahmung der
italienischen Renaissance war, entnahm Manet das
Nackte dem realen Leben und führte so den
Typus der Französin und der modernen Pariserin
in die Kunst ein.

Und seine Werke flössten Allen eine schranken-
lose Verachtung, einen grenzenlosen Zorn ein. Man
entdeckte in ihnen den niedrigsten Realismus,
welcher sich erfrechte, sich an die Stelle der grossen
Idealkunst, des Stolzes der Nation, zu setzen. Die
hellen Töne, welche er nebeneinander auf die Lein-
wand setzte, wurden für ein „buntscheckiges Farben-
gemisch" erklärt. Man sah in seiner Anwendung
von leuchtenden Farben die unkünstlerische Zu-
sammenstellung von „Farbenklecksen". AberClaude
Monet fühlte sofort, als er die Ausstellung ausge-
wählter Werke bei Martinet sah, die vollste Be-
wunderung und erkannte in dem neuen Prinzip der
Hellmalerei ein System, das ihm ungeahnte Hülfs-
quellen bot.

Nachdem Monet sich mit der Technik vertraut
gemacht hatte, in hellen Tönen, frei von allen tra-
ditionellen Schatten zu malen, wandte er sie in

234
 
Annotationen